Kalifornische Sinfonie
verschwanden von den Straßen, die Häuser wurden weißgewaschen und das Unkraut wurde ausgerottet. Garnet und Florinda fanden, die Mormonen möchten für alle Zeit in Los Angeles bleiben. Natürlich waren nicht alle Mormonen solche Engel, wie sie nach dem Willen ihrer Ältesten eigentlich sein sollten; aber sie bildeten zusammen eine sehr ordentliche Truppe, und die weitaus meisten von ihnen verschmähten zu Florindas Erstaunen tatsächlich jeglichen Alkohol. Sie erschienen zuweilen auf der Veranda der Bar, und dann und wann kamen sie auch herein, um die Gelegenheit wahrzunehmen, mit zwei jungen amerikanischen Frauen zu plaudern, aber alkoholische Getränke bestellten sie nicht. Sie versicherten den Mädchen, daß sich im Alkohol der Satan verberge, der auf diese Weise seine Fallstricke auswerfe.
Nach Art der meisten Konvertierten waren die Mormonen fromm bis zum Fanatismus; aber solange man nicht auf die Grundsätze ihrer Religion zu sprechen kam, befleißigten sie sich einer großen Höflichkeit. Wann immer Garnet oder Florinda auf der Veranda erschienen, um etwa einen Ausgang zu unternehmen, sprangen zwei oder drei der dort herumhockenden Mormonen-Soldaten auf und fragten, ob sie die Ehre haben dürften, den Damen ihre Begleitung anzubieten. Könne man doch niemals wissen, ob nicht hier oder da ein Soldat seine Erziehung vergäße und sie belästigte. Die Mädchen akzeptierten die Angebote gern und waren seitdem fast immer von einer Leibwache umgeben, wenn sie durch die Straßen gingen. Da die Stadt in jüngster Zeit sehr viel mehr Männer als Frauen beherbergte, war einer Frau in der Tat kaum anzuraten, allein auszugehen. Garnet besonders dankte dem Himmel für die Anwesenheit der Mormonen, und Florinda bedauerte zwar, daß die Mormonen kein Geld bei ihr ließen, aber auch sie fand es sehr angenehm, nicht nur von betrunkenen Männern umgeben zu sein.
Die örtlichen Patrizierfamilien hatten sich sehr bald nach dem Einmarsch der Truppen mit den Armeeoffizieren angefreundet. Die Yankees veranstalteten Bälle und Dinners und brachten auf diese Weise Leben und Fröhlichkeit in die Stadt. Das einfache Volk freilich mochte die Soldaten nicht.
Es mochte das zunächst einfach daran liegen, daß zu viele Soldaten da waren. Sie überliefen alles, sie bevölkerten die Geschäfte und die Tavernen. Estelles Etablissement hatte sich vergrößert und hatte noch ein paar nette Mädchen aufgenommen. Außerdem waren noch einige rivalisierende Betriebe dieser Art aus dem Boden geschossen. Die Yankees zeigten nicht den geringsten Respekt für die hierorts geltenden Sitten, und sie waren taktlos genug, daraus auch keinerlei Hehl zu machen. Den Yankees war von Kindheit an eingebleut worden, es gäbe keine größere Sünde als die Faulheit. In den Staaten konnte man nichts Schlimmeres von einem Mann sagen als: Er will nicht arbeiten! Die Angelenos vertraten demgegenüber den altspanischen Grundsatz, daß die Arbeit ein Fluch sei. Die Angelenos wohnten in schmutzigen Hütten. Ihre sogenannten Straßen erstickten im Unkraut und in widerlichen Abfällen. Sie besaßen kein Schulhaus. Sie hatten weder den Wunsch, etwas zu lernen, noch etwas an ihrem Leben zu ändern. Sie saßen tagein, tagaus in der Sonne, schwätzten, dösten vor sich hin und tranken ihren geliebten roten Wein. Die Yankees, die eben erst der lärmenden Betriebsamkeit und Geschäftigkeit der östlichen Staaten entronnen waren, sahen dieses Treiben mit unverhohlener Verachtung. Was war das für eine entsetzliche, verkommene Bande! Warum tat dieses Pack von morgens bis abends nichts?
Die Angelenos, die in keiner Weise begriffen, warum in des Himmels Namen sie etwas tun sollten, da sie es nicht nötig hatten, sahen verständnislos und höchst mißtrauisch auf diese Fremden, die sich anscheinend nie eine Stunde Ruhe gönnten. Fortgesetzt waren sie dabei, irgend etwas zu tun, etwas zu säubern oder etwas zu ändern, was bisher gut gewesen war. Die Angelenos waren der Meinung, diese Yankees seien nichts anderes als eine öffentliche Plage.
Und so kam es denn, daß eine sonderbare Legende im Ort umging. Es hieß, die Señores Pico und Castro, die seinerzeit aus dem Lande geflohen waren, würden demnächst zurückkommen und die Fremden verjagen. Es ging ein Liedchen um, das von den Kindern auf der Straße gesungen wurde, und zwar mit Fleiß so, daß die Yankees es hören mußten. Garnet hatte es an einem Aprilmorgen, da sie von Mr. Abbotts Geschäft kam, wo sie Flanell für
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