Kalifornische Sinfonie
auch nicht vor Neugier sterben, wenn Sie’s bleiben ließen.«
Nikolai sagte mit ungewohnt kühler und sicherer Stimme: »Sie lieben mich, weil ich Ihnen nie gesagt habe: Sie sind schön, oder weil ich Sie nicht gebeten habe, mit mir zu schlafen eine Nacht.«
Einen Augenblick schwieg Florinda und starrte ihn mißtrauisch an. Nikolai nahm einen großen Schluck aus seiner Flasche.
»Das ist doch Tatsache, nicht wahr?« fuhr er fort. »Sie wissen es. Nur, ich glaube: Sie haben nie darüber nachgedacht.«
Florinda seufzte, wie sie etwa über ein ungezogenes Kind geseufzt haben würde. Sie war nicht wütend, sie verlor überhaupt nur sehr selten die Nerven, außerdem konnte man sich schwer über jemand ärgern, der so nett und so aufrichtig war wie dieser Russe. Nikolai Grigorievitch fuhr fort: »Ich weiß, Miß Florinda, Sie achten nur Männer, die Ihnen nicht sagen: ›Ich liebe Sie!‹ Sie sind schön, o ja! Ihre Augen, Ihr Haar, Ihre Haut und Ihre Figur – alles sehr schön, sehr faszinierend. Und es ist natürlich: Die Männer bewundern sie. Die Männer lieben das. Aber sie lieben eben das, dieses Schöne. Sie lieben nicht Sie.«
Florinda keuchte, fassungslos vor so viel ungenierter Aufrichtigkeit. »Großartig!« murmelte sie; »ich werde mich wie ein Kaninchen abschießen lassen.«
Nikolai Grigorievitch lächelte weise und überlegen: »Sie wissen ganz genau«, fuhr er fort, »die meisten Männer, die gesagt haben: ›Ich liebe Sie. Heiraten Sie mich!‹ oder: ›Schlafen Sie mit mir!‹, wissen kaum noch Ihren Namen. Und Sie kennen ihre Namen auch nicht. Aber die Männer, die Sie wirklich lieben, ich weiß nicht, ob da welche sind in New York oder wo, aber die Männer hier in Kalifornien: John und Silky und Texas und Mr. Kerridge und ich – nun, ich glaube, das ist anders. Sie verstehen?«
»Ich weiß es nicht, Sie großer Affe«, keuchte Florinda. »Ich habe darüber noch nicht nachgedacht. Aber ganz gewiß habe ich in meinem ganzen Leben noch keinen Mann gesehen, der so schlechte Manieren hatte wie Sie. Aber sprechen Sie nur. Sprechen Sie ruhig weiter.«
»Sie sind daran interessiert?«
»Ganz gewiß. Es gibt wenige Männer, von denen ich Dinge zu hören bekomme, die ich nie zuvor von einem Mann gehört habe.«
»Aber das ist es, was ich wollte Ihnen sagen«, lachte Nikolai. »Sie achten nicht die Männer, die Ihnen immer wieder die gleichen Dinge sagen, die Sie schon oft haben gehört. Aber Sie werden achten die Männer, die Ihnen sagen: Sie sind eine ungewöhnliche Person. Und wenn Sie dann lieben Männer wie mich, dann ist es, als sagten Sie: ›Ich danke, weil Sie mich gesehen haben, wie ich bin. Nicht nur meine Augen, mein Haar und meine Figur, sondern mich selbst!‹« Er strahlte sie mit bewundernder Offenheit an. »Nun«, sagte er, »ist es wahr?«
Florinda lachte, halb beschämt, halb amüsiert. »Ich weiß nicht, Nick«, sagte sie, »ich weiß es wirklich nicht. Aber ich werde darüber nachdenken.«
»Ganz gewiß es ist wahr«, sagte Nick.
Dann entstand eine Pause. Florinda besah sich kopfschüttelnd den am Boden hockenden Mann. »Ich glaube, ich würde mich unter unzivilisierten Wilden nicht wohl fühlen«, sagte sie. »Niemand hat ihnen gesagt, wie sie sich benehmen sollen, deshalb versuchen sie selbst alles rauszukriegen. Und dabei sehen sie dann mehr, als gut ist.«
Nikolai lachte leise in sich hinein.
»Wie groß ist Ihre Ranch?« fragte Florinda.
»Neun Leaguos.«
»Reden Sie mit mir nicht mexikanisch. Wie groß in Morgen?«
»Ich weiß nicht.«
»Mir scheint, Sie wissen überhaupt nichts.«
»Nicht viel«, gestand Nikolai freimütig.
»Nun, ich denke, sie wird groß genug sein, um Sie zu ernähren«, versetzte Florinda. »Es war sehr freundlich von Ihnen, Garnet und mich nach Los Angeles zu bringen; aber wir wollen Sie nicht länger als unbedingt nötig von Ihrer Arbeit abhalten. Am besten gehen Sie wieder nach Hause zurück.«
»In ein paar Tagen ich werde gehen«, sagte Nikolai. »Zunächst, ich muß wissen, was für Schiffe liegen im Hafen von San Diego. Das ist sehr wichtig für mich, denn wenn einmal ein russisches Pelzschiff die Küste anläuft, will ich mitfahren nach St. Petersburg.«
»O ja, das vergaß ich. Sie sagten mir ja schon einmal, Sie wollten nach Rußland zurück. Das wird wahrscheinlich gut sein. Aber Sie wissen noch nicht, wann Sie fahren werden?«
»Wollen Sie denn, daß ich wegfahre?«
»Sie fangen an, mir auf die Nerven zu gehen«, seufzte
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