Kalifornische Sinfonie
und her und erhitzten sich nicht wenig dabei; trotzdem gab es kaum jemals ernsthafte Streitereien. Und dann wurden Garnet und Florinda gewahr, daß fast allabendlich zwei oder drei Offiziere im Lokal saßen, die zwar wenig tranken, dafür aber ein wachsames Auge auf ihre Männer hatten. Sie begrüßten das sehr, denn auf diese Weise wurden die Soldaten im Zaum gehalten.
Es kamen mittlerweile die letzten Regentage, die Nebel begannen zu steigen, und an Bäumen und Sträuchern brachen die Knospen auf. Garnet bemerkte fast nichts davon. Sie mußte so hart arbeiten, daß sie kaum einen Gedanken an die Umwelt verschwendete. Dann und wann dachte sie an John, aber das verschaffte ihr jedesmal ein so schmerzhaftes Gefühl, daß sie den Gedanken entschlossen von sich stieß. Auch an Oliver mußte sie zuweilen denken, an seinen Bruder Charles, an den Ritt durch die Wüste und an den Frieden, den sie einst zu Hause gehabt hatte. Aber alle diese Gedanken blieben undeutlich; die Bilder tauchten vor ihr auf wie von Nebelwolken verschleiert und versanken wieder. Sie hörte nur immer ihre eigene Stimme: »Was darf’s sein, Gentlemen?« und sie dachte fast unausgesetzt: ›Meine Füße brennen. Ich kann bald nicht mehr stehen.‹
Sie war sehr erstaunt, als Charles eines Nachmittags die Bar betrat. Es war ein heller, kühler Frühlingstag; das Lokal war voller Männer, die das Bedürfnis fühlten, sich von innen her zu erwärmen. Charles stand einen Augenblick regungslos in der offenen Tür und blickte sich um. Einer der Gäste wandte den Kopf und rief: »He, Sie, machen Sie gefälligst die Tür zu!« Ein paar andere Rufer schlossen sich an. Charles maß sie mit einem verächtlichen Blick und kam herein. Florinda, die Spannung und Streitigkeiten unter allen Umständen vermeiden wollte, verwickelte die erzürnten Soldaten in ein Gespräch.
»Ach, hört doch mal, Boys«, rief sie, »ich wollte euch immer schon etwas fragen: Ist es wahr, daß ein New Yorker Regiment nach hier unterwegs ist?« Es geschah, was sie erwartet hatte: Jeder der allgemein Angesprochenen wollte ihr gleichzeitig antworten. In dem aufbrandenden Stimmengewirr gewann Garnet ihre Fassung zurück und sah dem Besucher ruhig entgegen. Charles kam auf sie zu und baute sich jenseits der Bartheke vor ihr auf. Er stützte die Ellbogen auf die Tischplatte und maß sie mit dem Blick, den sie nun schon kannte. »Wie geht es Ihnen, Garnet?« sagte er.
Garnet zuckte die Achseln. Sie hatte schon ihre stereotype Frage auf der Zunge: ›Was darf’s sein?‹, aber sie besann sich eben noch rechtzeitig. Es war das erste Mal seit jener Nacht, da Charles betrunken in der Küche gehockt hatte, daß sie mit ihm sprach. Sie wußte nicht, wieweit er sich noch an jene Nacht erinnerte, und sie hatte ihrerseits auch kein Interesse, ihn daran zu erinnern. Sie hatte überhaupt keine Lust, mit ihm zu sprechen. Wenn er etwas trinken wollte, sollte er es sagen.
Er verlangte nichts zu trinken; er sagte: »Ich halte Sie nicht lange auf. Ich wollte nur wissen, ob Sie sich das Angebot überlegt haben, das ich Ihnen seinerzeit machte.«
»Was für ein Angebot?« fragte Garnet.
»Ich bot Ihnen an, auf meiner Ranch Wohnung zu nehmen.«
Meiner Ranch! dachte sie wütend; schon beim ersten Male hatte sie sich über diese Bezeichnung geärgert. Sie antwortete leise, aber sehr betont: »Ich ziehe es vor, hier zu wohnen.«
Charles nickte, als habe er nichts anderes erwartet. Wie lange er mich wohl noch so anstarren will! dachte Garnet. Er fuhr fort:
»Ich habe mit dieser Antwort gerechnet. Ich bin leider außerstande, Ihnen einen besseren Geschmack zu verschaffen.«
»Wenn Sie noch immer meinen sollten, Sie könnten meine Auffassung von der Sache irgendwie erschüttern, dann irren Sie sich«, sagte Garnet. »Ist das alles, was Sie mir sagen wollten?«
»Nein«, sagte Charles, »da ist noch etwas anderes. Sie werden gehört haben, daß ich inzwischen geheiratet habe.«
»Ja«, antwortete Garnet. Sie dachte: Ich wollte, du wärest tot. Dann würdest du mich endlich in Ruhe lassen.
Charles fuhr fort: »Für den Fall, daß Sie es ablehnen, auf meiner Ranch zu leben, würde meine Frau sich glücklich schätzen, dem Kind meines Bruders dort ein seiner würdiges Heim zu bereiten.« Deines Bruders Kind! dachte Garnet; sie zitterte schon wieder vor Wut. Wenn das jemand hört, müßte er denken, ich hätte das Kind gestohlen. Sie ballte hinter dem Bartisch die Fäuste. »Hören Sie endlich mit
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