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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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ihm. »Nicht, weil ich gut war«, flüsterte Texas. »Ich war nicht sonderlich gut. Aber ich glaube, Er wird mich doch aufnehmen. Bevor Sie kamen, hatte ich so etwas wie ein Zwiegespräch mit Ihm. Ich glaube nicht, daß ich richtig gebetet habe; ich weiß gar kein richtiges Gebet. Ich habe nur so mit Ihm gesprochen. Aber ich glaube, Er hat mich verstanden.«
    »Er hat es gewiß«, sagte Garnet. Und wieder herrschte Schweigen. Nach einem Weilchen sagte Garnet: »Gibt es nicht einen Menschen, an den man schreiben müßte? Ihre Mutter etwa?«
    »Danke«, flüsterte Texas. »Ich habe keine Mutter mehr. Sie starb schon vor sehr, sehr langer Zeit.«
    »Und – eine Frau – haben Sie auch nicht?«
    »Nein. Ich war nie verheiratet. Und mein Vater ging schon von uns, als ich noch ein ganz kleiner Junge war. Er starb an einer Verwundung, die er in Fort Bowyer bekommen hatte. Das war 1814. Ich glaube, da waren Sie noch gar nicht geboren.«
    »Nein«, sagte Garnet. »Ich bin erst 1826 geboren. Und ich weiß leider auch nicht, wo Fort Bowyer liegt.«
    »Es war das Fort, das die Mobile Bucht bewachte«, sagte Texas. »General Andrew Jackson hatte das Kommando, und die Briten griffen unter Admiral Percy an. Aber sie kamen nicht in die Bucht. Es war ein guter Kampf, und mein Vater war ein guter Soldat. Er starb als Held.«
    Texas schwieg, und sein Körper verkrümmte sich jämmerlich. Er rang nach Atem. Aber nach einem kleinen Weilchen begann er wieder zu sprechen.
    »Sie brauchen niemand zu schreiben, Miß Garnet. Ich habe keine Familie. Ich habe auch keine Freunde, glaube ich.«
    »Sie haben mich, Texas«, sagte sie ruhig.
    »Ja«, flüsterte er, »ich weiß. Gott segne Ihre Seele, Miß Garnet.«
    »Und ich bin auch nicht der einzige Mensch, den Sie haben«, sagte sie. »Erinnern Sie sich noch an die vielen Menschen, die Sie in der Wüste vor dem sicheren Tode retteten?«
    »Oh«, ächzte er, »ich habe dann und wann wohl auch einmal etwas Gutes getan. Aber wenn man dann denkt, wie alles hätte sein können – wenn ich denke, was man alles von mir erwartete! Stephen Austin selbst hatte mir die Hand auf die Schulter gelegt und gesagt: ›Du wirst wie dein Vater, Ernest. Jungen wie du werden Texas eines Tages zu einem großen Lande machen!‹ Und dann –; er stöhnte und bewegte unbehaglich den Kopf. Es fiel ihm schwer, es verursachte ihm Schmerzen, aber er wollte reden.
    »Ich konnte es nicht lassen«, keuchte er. »Ich weiß nicht, warum. Ich habe Gelübde abgelegt und Versprechungen gegeben und immer wieder – ich konnte es nicht lassen.«
    Seine Stimme war nun wie ein Hauch: »Alle Männer unserer Familie waren in der Armee. Ein paar Vorfahren waren schon vor der Revolution bei der Kolonialtruppe. Ich war von Geburt an für die Armee bestimmt. Als Vater gefallen war, sind Mutter und ich zu Mutters Bruder gezogen.« Mit langen Pausen, immer wieder keuchend vor Anstrengung und Schwäche, erzählte Texas seine Geschichte. Die Mutter hatte große Hoffnungen auf ihn gesetzt. Sie war begeistert, als Bruder und Sohn mit Stephen Austin als Pioniere in ein fremdes Land zogen. Sie wollte: ihr Sohn sollte ein Held und Eroberer werden.
    Er hatte alle Vorteile einer guten Erziehung genossen. Ursprünglich hatte er zur Ausbildung nach West Point gehen sollen, aber als sich dann herausstellte, daß er eine große Vorliebe für die Medizin hatte, hielt der Onkel es für richtiger, ihn zunächst studieren zu lassen. Er studierte Medizin und Chirurgie. Es war von vornherein vorgesehen, daß er Militärarzt werden sollte. Er scheiterte an seinem Laster: Er konnte das Trinken nicht lassen. Über den trinkfrohen jungen Burschen hatte man noch gelacht. Dann hätten die älteren Männer zu warnen begonnen: Noch sei nichts Ernsthaftes geschehen, noch konnte er diesen gefährlichen Weg verlassen. Tat er es nicht, mochte leicht einmal etwas Ernsthaftes passieren. Und in der Armee brauchte das nur einmal zu geschehen.
    Und es geschah, wie man es ihm prophezeit hatte. Er war damals in Fort Leavenworth stationiert. Ein sterbenslangweiliges Kommando. Eine kleine Garnison, ein weitab jeder Zivilisation gelegener Außenposten und ein langer, strenger Winter. Das ganze Leben ein monotoner Kreislauf: für die Männer der immer gleichbleibende Dienst; für den Arzt heut ein gequetschter Finger, morgen eine kleine Erkältung.
    Was soll man anfangen, wenn man nichts zu tun hat? Es gab nur sehr wenige Bücher im Fort; der Unterhaltungsstoff war lange erschöpft,

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