Kalifornische Sinfonie
ein bißchen kompliziert. Sie fragte: »Aber was hat das alles mit Estelle zu tun?«
»Ich weiß, es klingt alles ziemlich weit hergeholt«, sagte Florinda, »aber ich muß dir wohl oder übel die Zusammenhänge ein bißchen erklären. Silky achtet dich also sehr hoch, und als ich dich herbrachte, da versprach er mir hoch und heilig, weder Estelle noch eins ihrer Mädchen sollten, solange du hier bist, jemals das Haus hier betreten. Darum war ich so maßlos überrascht vorhin, als ich Estelle in der Küche erblickte. Und nebenbei war ich wütend.«
»Ich bin nicht wütend«, sagte Garnet. »Und das will ich Silky gern sagen, wenn du es für richtig hältst.«
»Das wäre mir ganz lieb, Garnet. Denn es ist so, daß sie wirklich mit ihm sprechen mußte. Es ist nämlich etwas geschehen, und das mußte sie ihm mitteilen.«
»Was war es denn? Oder geht es mich nichts an?«
»Doch, es geht dich sogar sehr an. Und das – das ist es eben, was ich dir sagen wollte.« Florinda machte eine Pause und trank einen Schluck Kaffee.
In Garnet gingen Alarmzeichen hoch. Florinda pflegte im allgemeinen nicht so vorsichtig und in Absätzen zu sprechen; sie sagte vielmehr meistens geradeheraus, was sie wollte. »So sprich doch«, forderte Garnet deshalb, »ich verspreche dir: Ich mache gewiß keine Szene. Ist es etwas Schlimmes?«
»Ja«, sagte Florinda, »ziemlich schlimm, und es tut mir verdammt leid. Es handelt sich um Texas.«
»Was ist mit Texas passiert?«
»Er ist wieder einmal gefallen«, sagte Florinda, »diesmal aber sehr schlimm.« Sie zögerte einen Augenblick und zuckte dann die Achseln. »Es hat keinen Sinn, darum herum zu reden«, sagte sie, »du bist ja, Gott sei Dank auch nicht mehr die zarte Apfelblüte, die du einmal warst. Also: Texas war bei Estelle. Ich nehme an, aus dem üblichen Grund, ich wüßte wenigstens nicht, was ein Mann sonst dort zu suchen hätte. Er war schwer betrunken. Vielleicht war er auch so betrunken, daß er gar nicht wußte, wohin er ging. Ich weiß auch nicht, wo er so entsetzlich gestürzt ist. Er muß sehr tief und steil heruntergefallen sein. Jedenfalls – er liegt im Sterben. Und Estelle – sie fürchtet natürlich für ihr Geschäft; es ist nicht gerade angenehm, in so einem Haus einen Toten zu haben. Texas hat nahezu alle Knochen gebrochen, er hat fürchterliche Schmerzen und hat eine Zeitlang im Delirium gelegen. Jetzt geht es ihm ein wenig besser, und er ist bei Verstand, aber man darf ihn überhaupt nicht anfassen. Dann ist es gerade so, als schnitte man mit einem blanken Messer in ihm herum. Man kann ihn also auch nicht aus dem Hause schaffen, auf einen Wagen laden und fortfahren. Estelle sagte jedenfalls, sie brächte es nicht über das Herz, das zu tun.«
»Gott segne sie dafür«, sagte Garnet leise. Sie wurde von Mitleid und Trauer geschüttelt. »Florinda«, flüsterte sie, »können wir eine Nachricht zu Estelle schicken?«
»Ja, gewiß, was willst du denn von ihr?«
»Sage ihr, ich hätte ein bißchen Geld gespart. Und wenn sie Texas dort behielte, um ihn in Frieden sterben zu lassen, dann wolle ich versuchen, sie für den etwaigen Geschäftsausfall zu entschädigen.«
»Das ist verdammt anständig von dir«, sagte Florinda.
Garnet stützte den Kopf in die Hand. »Florinda«, sagte sie, »weiß Texas, daß er sterben muß?«
»Ja, er weiß es. Er hat es Estelle selbst gesagt. Und er sagte auch, jeder, der ihn erblicke, könne das ohne weiteres sehen.«
Sie schwiegen beide, tranken ihren Kaffee und hingen ihren Gedanken nach. Nach einem Weilchen sagte Florinda:
»Ich nehme an, du weißt, wie sehr Texas dich verehrt. Und wie sehr er auch Stephen liebt. In seinen Fieberphantasien hat er fortgesetzt mit dir gesprochen. Und da meinte Estelle –; bitte, nimm noch eine Tasse Kaffee.« Armer, guter Texas! dachte Garnet. Florinda füllte die beiden Tassen von neuem.
»Was meinte Estelle?« fragte Garnet.
Florinda lächelte etwas schief: »Ja, Liebe, sie meinte, es würde für Texas sehr viel bedeuten, wenn er dir und dem Kind noch einmal Lebewohl sagen könnte.«
Garnet richtete sich ruckhaft auf. »Florinda«, stieß sie heraus, »du meinst, Texas möchte, daß ich zu ihm komme?«
»Er hat das beileibe nicht vorgeschlagen«, sagte Florinda. »Texas würde es nicht im Traum einfallen, dir zuzumuten, ein Freudenhaus zu betreten. Der Gedanke stammt von Estelle. Sie sagte, Texas habe fortgesetzt von dir und dem Kind phantasiert; sie hätte es nicht mehr mit anhören
Weitere Kostenlose Bücher