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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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getan. An jenem Abend, da er sie so jäh in seine Arme zog, hatte sie nur eins vor sich gesehen: den sicheren Hafen, in den ihr gestrandetes Schiff einlaufen könnte. Dieses Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vertiefte sich übrigens mit jedem weiteren Gespräch. Es war kein Zweifel, daß er sie liebte. Brown war fünfunddreißig Jahre alt und neigte in keiner Weise zu leichtfertigen Handlungen. Er war kein aufregender Mann und keine hervorstechende Erscheinung, aber er war fraglos ein guter, sauberer und aufrichtiger Mann, der klare Grundsätze hatte und entschlossen war, nach diesen Grundsätzen zu leben. Und Garnet fand nach all den Erregungen und Verwirrungen der letzten Zeit, das seien sehr wesentliche und sehr beachtenswerte Eigenschaften. Übrigens versprach Brown ihr nicht nur Sicherheit schlechthin, sondern Sicherheit innerhalb ihrer ureigensten Welt. Er war ebenso wie sie in New York zu Hause; er würde nach dem Kriege dorthin zurückkehren. Er war mit vielen Familien bekannt, in denen auch sie bekannt war; sie hatten den gleichen sozialen Hintergrund und die gleiche gesellschaftliche Stellung. Sie würde an seiner Seite nicht reich sein, aber sie würde alle Bequemlichkeit haben, an die sie von Kind auf gewöhnt war. Sie würde wieder ein Zuhause haben, wie sie es verlassen hatte; sie würde wieder bei Stewart’s einkaufen und die Vorstellungen im Parktheater und in Castle Garden besuchen können. Sie würde Liebe und Wärme und Würde und Muße haben und ein ruhiges Leben ohne bemerkenswerte Begebnisse.
    Sie hatte viel Zeit, über all diese Möglichkeiten nachzudenken, hatte er ihr doch gesagt, daß sie vor Ablauf eines Monats nicht wieder an der Bar arbeiten dürfe. Das Geschwätz über den Hale-Mord in Estelles Etablissement müsse sich erst etwas gelegt haben. Sie wußte wohl, daß sich hinter dieser seiner Forderung die Hoffnung verbarg, sie möchte sich innerhalb dieses Monats entscheiden, wodurch er gegebenenfalls das Recht erlangen würde, ihr die fernere Tätigkeit an der Bar überhaupt zu untersagen.
    Ja, sie mußte viel über all diese Dinge nachdenken, aber es ließ sich nicht leugnen, je mehr sie an Captain Brown dachte, um so mehr mußte sie gleichzeitig an einen anderen denken – ein bösartiger Kobold in ihrem Kopf wollte es so – an John Ives.
    Sie dachte an beide Männer und stellte sie nebeneinander, und über all diesem Denken wurde ihr ganz wirr im Kopf. Hier war Roger Brown, ein Mann, der sie liebte und keinerlei Hehl daraus machte. Und dort war John Ives, der mit einem spöttischen Zucken um die Mundwinkel sagte: »Wir sind beide erwachsen, nicht wahr? Laß uns also ehrlich sein miteinander. Was ist denn Liebe? Ein bißchen Mondscheinzauber.«
    Es war nur eines ganz klar: Sie liebte Roger Brown nicht. Sie wußte mit unfehlbarer Sicherheit, was es hieß, einen Mann zu lieben. Sie liebte John. John würde sie möglicherweise eines Tages im Stiche lassen, wenn er ihrer müde war. Das war schrecklich, aber es änderte nichts daran, daß sie ihn liebte und nach ihm verlangte. Es war vor allem deswegen schrecklich, weil sie nicht wußte, ob er überhaupt noch nach ihr verlangte. Seit sie damals den Boy Pablo mit der abweisenden Antwort auf seinen Brief zurückgeschickt hatte, war keine Nachricht von John mehr an ihr Ohr gedrungen, und das war jetzt vier Monate her. Selbstverständlich konnte sie nach diesem Brief nichts mehr erwarten; sie hatte ihn ja selber aufgefordert, sie in Ruhe zu lassen. Während sie das bedachte, saß sie allein in der Küche; nur Stephen spielte auf dem Fußboden vor sich hin. Mein Gott! dachte sie, Roger Brown liebt mich, und er ist bereit, mir alles zu geben. Lieber Gott, kannst du nicht machen, daß ich ihn nur ein ganz klein wenig liebhaben muß?
    Später hatte sie ein Gespräch mit Florinda. Sie setzte ihr auseinander, warum es richtig und gut wäre, Roger Brown zu heiraten, und warum sie sich doch nicht dazu entschließen könne. Während sie die Dinge gegeneinander abwog, empfand sie, daß sie gut daran tun würde, Browns Werbung doch anzunehmen. Sie hatte immer wieder sagen hören, wenn schon keine beiderseitige große Liebe vorhanden sei, sei es immer besser, wenn das stärkere Gefühl im Anfang beim Manne liege. Kreise das Leben der Frau doch im wesentlichen um Heim und Familie, und aus dieser Bindung heraus würde die Liebe ganz allmählich von selbst erwachen. Florinda hörte sich Garnets Argumente und Gegenargumente nachdenklich an, äußerte

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