Kalifornische Sinfonie
mächtig zu amüsieren, daß der stolze und hochmütige Ranchero ausgerechnet in so einem Haus ums Leben gekommen sei. Ich wollte Silky gerade sagen, wir müßten zusammen hin und dich da herausholen, da sahen wir dich mit Captain Brown kommen. Schon da, während du in der Küche auf der Wandbank saßest und ganz abwesend warst, fragte ich den Captain, ob du deinen Schwager erschossen hättest. Er warf mir einen Blick zu, der mir durch und durch ging, und antwortete: ›Der Mann, der sich Texas nennt, hat den Mord bereits zugegeben. Er liegt im Sterben.‹ Ich sagte: ›Captain Brown, Texas ist ein großartiger Mann. Und Sie ebenfalls.‹ Da packte er mich bei den Schultern und rüttelte mich, daß ich dachte, er würde mir das Schlüsselbein zerbrechen. Und dann stelzte er davon wie ein General, der überzeugt ist, eine Schlacht gewonnen zu haben.«
Garnet atmete schwer. Florinda legte ihr einen Arm um die Schulter. »Geh zu Bett«, sagte sie. »Schlaf, solange du kannst. Isabel wird am Morgen Stephen herausholen, ohne dich zu wecken. Ich sage es ihr.« Und Garnet ging zu Bett. Und sie war so müde und so erschöpft, daß sie nach einiger Zeit tatsächlich einschlief.
Am nächsten Morgen hörte sie, daß Texas tot sei. Sie hockte lange zusammengekauert auf der Wandbank in der Küche und dachte an ihn. Dabei ging es ihr so, daß sie über sich selbst und ihre Gefühle eine leise Verwunderung empfand. Mußte man nicht traurig sein, wenn man vom Tode eines lieben Freundes hörte? Mußten einem nicht die Tränen aus den Augen stürzen? Sie weinte nicht, und sie vermochte auch keine Trauer zu empfinden. Sie hatte Texas sehr gern gemocht, sie würde ihm ewig dankbar sein, und sie würde ihn sehr vermissen. Aber sie wußte auch, daß Texas auf dieser Welt nicht glücklich gewesen war. Vielleicht war er jetzt glücklich. Jedenfalls war es ihm nicht schwergefallen, die Welt zu verlassen. – Sie empfand auch kein Schuldgefühl wegen der Erschießung Charles’. Sie empfand eigentlich nichts außer dem Gefühl unauslöschlicher Dankbarkeit gegenüber dem toten Texas, der ihr erspart hatte, die Folgen ihrer schnellen Tat zu tragen. Sie hoffte, daß der Himmel ihm seine Handlungsweise lohnen würde, da sie es nicht mehr konnte.
Er hatte ihr in der Tat alles erspart. Ein paar Tage später erschien Captain Brown und brachte ihr eine Kopie seines Abschlußberichtes. Danach war Mrs. Garnet Hale in das Haus der Estelle gegangen, um mit einem sterbenden Mann ein paar Abschiedsworte zu sprechen. Mr. Charles Hale, der erfahren hatte, seine Schwägerin sei in ein Bordell verschleppt worden, war mit zwei Soldaten erschienen, um sie herauszuholen. Plötzlich hatten die draußen postierten Soldaten kurz hintereinander zwei Schüsse gehört. Als sie das Zimmer betraten, hatten sie Mr. Hale auf dem Fußboden liegend gefunden; er war bereits tot. Der im Bett liegende schwerkranke Mann, der sich Texas nannte, hielt den Colt-Revolver in der Hand, aus dem die Schüsse abgegeben worden waren. Er erklärte unaufgefordert den Soldaten, daß er geschossen habe. Dieselbe Erklärung gab er später amtlich zu Protokoll. Über die Gründe der Tat konnte er zufolge seiner schweren Verletzungen und seines schon getrübten Bewußtseins nicht mehr vernommen werden.
Garnet und Captain Brown saßen in der Küche auf der Wandbank. Sie waren allein, und sie las seinen Bericht. Danach schwieg sie einige Zeit und sah vor sich hin. Nach einer Weile fragte sie tonlos:
»Was wollen Sie nun, das ich tun soll, Captain Brown?«
»Ich möchte, daß Sie die Zeugenaussagen unterschreiben, die ich hier vorbereitet habe. Es steht nichts weiter darin, als daß Sie sahen, wie Texas Mr. Hale erschoß.«
Er legte das Papier vor sie hin und holte Tinte und Feder herbei. Garnet ergriff die Feder, tauchte sie ein und zögerte.
»Captain Brown«, sagte sie, »ist Ihnen nicht aufgefallen, daß Texas kaum noch die Kraft gehabt haben kann, den schweren Revolver zu heben und abzudrücken?«
Captain Brown zog seine Uhr und sagte: »Es tut mir leid, Mrs. Hale, aber ich habe keine Zeit, um die Dinge im einzelnen mit Ihnen durchzusprechen. Wollen Sie bitte das Papier da unterschreiben und die Angelegenheit dann ruhen lassen.«
Sie unterschrieb. Die Feder war gespalten. Sie kratzte und verursachte hinter dem Namenszug einen Klecks.
»Danke!« sagte Captain Brown, nahm das Blatt Papier, schwenkte es einige Male hin und her und legte es auf den Tisch. Er lächelte sie freundlich
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