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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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weiterzuleben. Ich wartete fortgesetzt darauf, daß du fragen würdest. Und ich hatte die Antwort: Ich sei ausgeglitten und mit den Händen in das Kaminfeuer gefallen, schon bereit. Aber du fragtest mich nicht. Und ich wußte damals sofort, was du für ein Mensch warst und was ich von dir zu halten hatte. Ich wußte, du warst ein prachtvoller Kerl, Garnet. Glaube mir, ich hätte damals nicht darüber sprechen können. Heute kann ich es.«
    Garnet schüttelte den Kopf: »Du brauchst es nicht, Florinda.«
    »Gewiß brauchte ich es nicht, aber jetzt möchte ich es selbst. Weißt du, in einer Nacht hatte ich ein langes Gespräch mit Nikolai. Ich habe ihm alles erzählt und hinterher fühlte ich mich freier als jemals zuvor, seit das damals geschah. Es war geradeso, als hätte ich mein Inneres gereinigt. Und du, Garnet, bist meine beste, ja, meine einzige Freundin, und ich möchte nicht, daß noch irgendein Geheimnis zwischen uns steht.«
    »Du brauchst mir nichts zu erzählen«, sagte Garnet mit leiser Stimme, »ich denke – ich weiß es.«
    »Du weißt? Wie könntest du denn?«
    »Ich – vermute natürlich nur. In der Nacht nach dem Erdbeben kam mir der Gedanke, es müsse mit – deinem kleinen Mädchen zusammenhängen.«
    Florinda nickte. Sie zitterte nicht; sie konnte es nun ertragen, daß über die Sache gesprochen wurde. Garnet sagte: »Du konntest nicht über dein Kind sprechen. Und du konntest nicht über deine Hände sprechen. Und du ertrugst den Geruch verbrannten Fleisches nicht. Ich sah dein Kleid brennen, als die Lampe herunterfiel, ich hörte dich schreien und sah deine Augen. Der Tag auf der Archillette fiel mir ein. Da habe ich mir die Dinge zusammengereimt.«
    Florinda hatte mit Erstaunen zugehört. »Seit dem Erdbeben sind über drei Monate vergangen«, sagte sie. »So lange wußtest oder ahntest du wenigstens, – und hast nichts gesagt? Hast nie ein Wort darüber fallen lassen?«
    »Nein, und ich hätte das auch nie bewußt getan. Ich wußte ja auch nicht, daß es dich erleichtern würde, dich auszusprechen.«
    »Du Liebe, du!« flüsterte Florinda. Sie hob ihre Hände auf und betrachtete sie. »Es sieht längst nicht mehr so schlimm aus wie zuerst«, sagte sie. »Die Narben sind nicht mehr so rot. Sie sehen freilich immer noch schlimm genug aus.«
    »Aber du kannst mit den Händen arbeiten. Und die Halbhandschuhe, die du immer trägst, sind sehr kleidsam.«
    »Oh, ich werde schon damit fertig. Manchmal fragt mich irgendein Boy, warum ich immer Handschuhe trüge. Ich habe schon die verrücktesten Antworten auf solche Fragen gegeben.« Sie bewegte die Finger. »Einige Dinge kann ich nicht tun«, sagte sie. »Ich kann die Hände zu Fäusten schließen, – siehst du? Aber ich kann die Finger nicht spreizen. Auf dem Klavier könnte ich keine Oktave mehr greifen; auch Gitarre könnte ich nicht spielen. Und ich kann – wie dir ja aufgefallen sein dürfte – keine feinen Näharbeiten verrichten. Aber ich nähe trotzdem ganz gut.« Sie sprach ruhig und sachlich; es schien sie nicht mehr zu quälen, über diese Dinge zu reden. Immer noch auf ihre Hände blickend, fuhr sie fort:
    »Ich bin froh, daß du es weißt. Zukünftig kann ich dich nun ohne weiteres bitten, dies oder das für mich zu tun, weil es mir selbst zu schwer fällt. Bisher ging das ja nicht.« Sie nahm den Blick von den Händen und sah Garnet voll ins Gesicht.
    »Vorbei«, sagte sie, »reden wir nicht mehr davon.« Sie griff nach dem Aquamarinring. »Ich werde diesen Ring nie tragen«, sagte sie, »auch den Stein nicht. Und ich werde dir auch sagen, warum. Ich habe ihn von dem Vater meines kleinen Mädchens.«
    »Oh, das verstehe ich«, sagte Garnet leise.
    »Er hat mir ziemlich viel Schmuck geschenkt«, fuhr Florinda fort, »er war reich und auch großzügig in solchen Dingen. Ohne das Kind hätte ich mit keinem Gedanken mehr an den Mann gedacht und ebensowenig an seine Geschenke. Aber nachdem das Kind tot war, konnte ich kein Stück mehr sehen, das ich von ihm geschenkt bekommen hatte. Deshalb habe ich fast alles in New Orleans verkauft. Für den Ring da wollte mir der Juwelier nicht geben, was er wert war, deshalb behielt ich ihn, um ihn später zu verkaufen. Aber nachdem ich dann hierherkam, ergab sich keine Gelegenheit mehr dazu. Wenn du ihn also haben willst, nimm ihn bitte. Du brauchst wirklich nicht zu glauben, du beraubtest mich.«
    Vielleicht tue ich ihr einen Gefallen, wenn ich ihn nehme, dachte Garnet, tragen werde ich ihn gewiß

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