Kalifornische Sinfonie
Sie waren auf dem Wege nach Santa Fé.
Elftes Kapitel
Garnet langte nach ihrer Wasserflasche, die sie an einem Riemen am Gürtel trug. Sie zog den Stöpsel ab und nahm einen tüchtigen Schluck. Das Wasser war warm, aber sie befand sich nun seit einundvierzig Tagen auf dem Pfad und hatte in der Zeit längst gelernt, sich an warmes Trinkwasser zu gewöhnen. Es wusch ihr den Staub aus dem Hals; schon die Feuchtigkeit in der Kehle war ein unvorstellbarer Genuß.
Oliver und Garnet fuhren in einer Art Kutsche. Es war dies ein seltsames Vehikel; Garnet erinnerte sich nicht, jemals irgendwo ein ähnliches Gefährt gesehen zu haben. Aber der Wagen war stark gebaut und erfüllte genau den Zweck, für den er gedacht war. Der rechteckige Kasten hatte vorn einen bequemen, weich gepolsterten Ledersitz und war rundherum mit Leinwandplanen abgedichtet, die durch Metallstützen gehalten wurden. Die vier Einzelplanen konnten über Tage wie Fensterrollos hochgerollt werden, um der Luft Durchgang zu verschaffen; abends ließ man sie dann wieder herunter und dichtete sie ab. Dann wurde der Kastenwagen zu einem kleinen Haus, in dem man seine Matratzen ausbreiten und wie in einem Bett schlafen konnte.
Oliver führte das Mauleselgespann. Er sah, wie Garnet ihre Wasserflasche verstöpselte, und lachte sie an. »Müde?« fragte er.
»Das kann man sagen«, seufzte Garnet. »Außerdem bin ich dabei, geröstet zu werden, und schließlich habe ich Hunger wie ein Wolf. Wie spät ist es?«
Oliver warf einen Blick auf die Sonne. »Schätze doch einmal selbst«, sagte er.
Garnet hob den Kopf. Sie trug eine grüne Schutzbrille, die sie in Independence erworben hatte, um ihre Augen vor den sengenden Sonnenstrahlen und vor den Staubwirbeln zu schützen. Die Sonne stand schräg links von ihr sehr hoch am Himmel.
»Zehn Uhr?« sagte sie zögernd.
»Ausgezeichnet«, lobte Oliver. »Es geht zwar schon auf halb elf, aber du bist auf dem Wege. Bald wirst du keine Uhr mehr nötig haben, um die Zeit festzustellen.«
»Halb elf!« seufzte Garnet, »um so besser. Eine halbe Stunde näher am Mittagessen. Ich bin so hungrig, daß ich ganz allein einen halben Büffel verspeisen könnte.«
»Die andere Hälfte esse ich«, lachte Oliver. Er nahm die Zügel in eine Hand und griff nun ebenfalls nach der Wasserflasche. Er zog den Stöpsel mit den Zähnen heraus und trank gierig. »Leer«, sagte er dann, ihr die Flasche reichend. »Wärest du so nett, sie wieder zu füllen?«
Garnet löste die Flasche von Olivers Gürtel und kletterte vorsichtig balancierend aus dem Wagen. Sie ging um das schwerfällig schaukelnde Gefährt herum und füllte, ihre Schritte denen der Maulesel anpassend, Olivers Feldflasche und ihre eigene aus dem Wasserkessel, der zwischen den Hinterrädern langsam hin und her schwang. Dann kletterte sie wieder in die Kutsche und befestigte Olivers Flasche an seinem Gürtel. Sie sah die Schweißtropfen auf seiner Stirn, holte ein großes blaues Taschentuch hervor und wischte sie ab, sorgfältig darauf bedacht, ihm nicht die Sicht zu verdecken.
Mit der anderen Seite des Taschentuches trocknete sie ihr eigenes schweißnasses Gesicht. Als sie das blaue Leinen dann betrachtete, sah sie, daß es braun verschmiert war. Schweiß und Staub hatten sich zu einer klebrigen Masse verbunden. Sie kam sich verschmutzt vor wie nie in ihrem Leben. Der zähe Staub war überall. Sie sah ihn in den Falten ihres Kleides, sie fühlte ihn unter den Kleidern auf ihrer nackten Haut. Sogar der breitrandige Sonnenhut vermochte nicht, ihn abzuhalten; immer, wenn sie ihr Haar bürstete, erhoben sich kleine Staubwirbel. In der Karawane gingen zweitausend Tiere. Jedes einzelne Tier verursachte Staubwolken mit jedem Schritt, den es tat. Die unzähligen kleinen Staubwölkchen vereinigten sich zu einer riesigen Wolke, die fast bewegungslos in der Luft hing. Noch meilenweit hinter dem großen Treck hingen diese dunklen Staubwolken in der Luft.
Garnet dachte, neben Oliver sitzend, sehnsüchtig an Büffelbraten und getrocknete Bohnen. Die Karawane brach Morgen für Morgen schon in der ersten Dämmerung auf. Frühstückspausen wurden nicht eingelegt, und mittags war Garnet Tag für Tag so hungrig, daß sie das Essen gierig und hemmungslos hineinschlang.
»Oliver«, fragte sie, »wo werden wir heute mittag lagern?«
»Am Rabbit Ear Creek. Es kann nicht mehr weit sein. Sitz nicht so steif, Garnet; paß auf, wir kommen jetzt durch ein Schlammloch.«
Garnet hielt sich mit beiden
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