Kalifornische Sinfonie
Zollbeamten wüßten es auch. Es sei im Laufe der Zeit üblich geworden, die Zollbeamten zu bestechen, damit sie die Hälfte der hereinkommenden Wagen übersähen.
Armijo seinerseits sei sich völlig klar darüber, daß seine Beamten sich bestechen ließen, aber er könne schließlich nicht jeden einzelnen Warenballen persönlich prüfen. Deshalb habe er in seiner Wut eines Tages eine neue Steuer ersonnen. Und zwar habe er jeden hereinkommenden Wagen ohne Rücksicht auf Größe und Inhalt mit einem Sonderzoll von fünfhundert Dollar belegt. Die Wagen seien natürlich leicht zu zählen, wenn sie den Grenzpaß passierten, schlimmstenfalls von Señor Armijo persönlich.
Oliver lachte: »Weil die neue Steuer nun die Größe der Wagen unberücksichtigt ließ, verkauften alle Händler ihre kleineren Fahrzeuge und schafften sich diese Ungetüme an. Sie stopften sie voll bis unter das Dach und brachten auf diese Weise viel mehr Waren herein als jemals zuvor. Die Zollbeamten zwinkern mit den Augen, machen ihre kleinen Privatgeschäfte und lassen Señor Armijos Wut fett werden.«
»Ein nicht gerade ehrliches Verfahren«, sagte Garnet.
»Allerdings nicht«, lachte Oliver, »aber was sollten wir denn machen? Hätten wir es beim alten belassen und Armijos Sondersteuer bezahlt, müßten wir für einen Meter des billigsten Baumwollstoffes zwei Dollar nehmen und für ein Päckchen Nadeln im Wert von zehn Cent einen Dollar. Wer würde wohl solche Preise bezahlen? Eine einzige Saison dieser Art, und kein Händler käme mehr nach Santa Fé. Der fette Armijo müßte sich dann wahrscheinlich nach einer Arbeit umsehen, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.«
Die Wagen waren mit großen Leinwandplanen bedeckt, dick und fest genug, um die Warenballen vor Witterungseinflüssen zu schützen. Vorn und hinten hatten sie schwere, doppelte Holzverschalungen, mit Decken dazwischen, um Staub und Regen abzuhalten. In Santa Fé wurden die Decken herausgenommen und verkauft. Amerikanische Decken galten in Santa Fé als Konterbande; der Gouverneur hatte eine Anordnung erlassen, wonach nur einheimische Decken gebraucht werden durften. Aber die Händler brachten seit Jahren die Decken zwischen den Holzverschalungen ihrer Wagen herein und verkauften sie. Sie taten das weniger des Verdienstes wegen, als um Armijo einen Streich zu spielen. Die Decken waren während der Fahrt ziemlich abgenutzt und nicht mehr viel wert.
Es dauerte eine volle Woche, bis alle Wagen beladen waren. Garnet machte es Spaß, den Männern bei der Arbeit zuzuschauen. Es waren ziemlich rauhe und wilde Kerle, die nicht viel vom Rasieren hielten und mit Redensarten um sich warfen, die Garnet nie im Leben gehört hatte. Aber sie waren stark und gesund und sprühten von Lebenslust. Garnet mochte sie gern. Schließlich war es so weit. Garnet kletterte in eine geräumige, von Mauleseln gezogene Kutsche. In dieser Kutsche würde sie nun Tag für Tag sitzen und auch in den Nächten schlafen, bis sie in Santa Fé anlangten. Sie fuhren zunächst nach Fort Leavenworth, der Militärstation, die die Grenze gegen die Indianer bewachte. Nachdem sie Fort Leavenworth passiert hatten, zogen sie neun Tage lang durch grüne, blumenübersäte Prärie. Dann kamen sie zum Council Grove, hundertfünfundvierzig Meilen westlich von Independence.
Die Reise verlief ohne Schwierigkeiten. Selbst als in einer Nacht schwerer Sturmregen aufkam, fühlte sich Garnet in ihrer geschlossenen Kutsche trocken und behaglich. Die Männer kochten im Freien. Das Essen war ausgezeichnet; außer Mehl und Salzfleisch führten die Wagen Karotten, Kartoffeln und Zwiebeln, getrocknete Äpfel, Käse und allerlei Delikatessen mit, Dinge, von denen Garnet nie gedacht hätte, daß sie ihr auf dieser Reise geboten würden. Mit der Zeit würden diese Vorräte natürlich zu Ende gehen, aber dann würde man auch schon bald auf die ersten Büffelherden stoßen, und es würde Frischfleisch in Hülle und Fülle geben.
Council Grove war ein schönes Wäldchen von etwa einer halben Meile Tiefe. Herrliche alte Bäume wuchsen hier: Eiche und Walnuß, Hickory und Ulme, alle prangend im leuchtenden Grün des jungen Frühlings. Der Wagenzug stieß hier mit anderen Händlern zusammen, die Independence bereits früher verlassen hatten. Während der vier Tage, die sie im Council Grove verbrachten, kamen immer mehr Wagenkolonnen heran. Andere Händlertrupps waren bereits wieder abgefahren; mit ihnen würde man sehr wahrscheinlich eines Tages
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