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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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davon, das zu bezweifeln«, sagte Oliver. »Obgleich ich wenig davon verstehe; ich habe keinen Ehrgeiz mitbekommen.«
    »Erzähle mir mehr von Charles«, bat Garnet.
    Oliver begann tastend: »Charles hätte eigentlich als – König geboren werden müssen. Leider kam er nur als Sohn eines ehrenhaften Bostoner Kaufmannes zur Welt. Als Vater starb, zogen wir zu unserem Onkel. Der hatte keine eigenen Kinder und wollte, daß wir eines Tages in sein Schiffahrtskontor einträten und später das Geschäft übernähmen. Charles folgte auch seinem Wunsch und trat in Onkels Geschäft ein. Er arbeitete dort tüchtig und zuverlässig. Aber auf die Dauer ist das nichts für Charles. Charles kann es nicht ertragen, von einem anderen Menschen Befehle entgegenzunehmen. Deshalb trat er eines Tages wieder aus und begann sich dem Westhandel zu widmen.«
    »Das erzähltest du mir schon einmal«, sagte Garnet. »Dir machte das ja auch Spaß. Du wolltest ja auch in die Welt und Abenteuer erleben. Aber wenn ich dich richtig verstehe, wurde dein Bruder von anderen Gedanken geleitet. Offenbar ging es ihm nur um das Geld, das er machen wollte.«
    »Nicht um das Geld an sich. Geld ist nur ein Teil dessen, was er erstrebt.« Oliver strich sich das Haar aus der Stirn. »Als Charles nach Kalifornien kam, wußte er, daß er gefunden hatte, was er suchte. Sobald er einigermaßen Boden unter den Füßen spürte, sah er sich nach einer Ranch um.«
    »Bekommt ein Fremder dort so ohne weiteres eine Ranch?«
    »Oh, das ist einfach. Wenn man zwei Jahre im Lande lebt und katholisch wird, erwirbt man das Bürgerrecht. Dann erbittet man eine Landbewilligung und unterschreibt ein paar Papiere. Es gibt dort so unendlich viel freies Land, daß die Regierung froh ist, wenn Leute kommen, um es zu bebauen. Dann kauft man sich das notwendigste Vieh, setzt sich hin, sieht zu, wie sich die Tiere auf natürliche Weise vermehren, und verkauft die Häute.«
    Der Wind zurrte an den Leinwandplanen der Kutsche. Oliver überzeugte sich, daß sie richtig festgeschnallt waren, und fuhr fort: »Die Ranchbewilligung wurde Charles und mir gemeinsam erteilt, aber ich habe mich nie viel um den Betrieb gekümmert. Was mich an der Sache reizt, ist der Treck, der große Wagenzug durch die Prärie. Charles dagegen verbrachte seine ganze Zeit auf der Ranch. Der Betrieb ist vierzigtausend Morgen groß und hat an die zehntausend Stück Vieh. Und natürlich einen riesigen Personalbestand. Ich habe keine Ahnung, wieviel Leute da herumlaufen und einander im Wege sind. Charles lebt und residiert da noch in einer Art phantastischer Feudalherrlichkeit. Die eingeborenen Rancheros verbeugen sich tief vor ihm und fragen ihn bei jeder Gelegenheit um Rat, beispielsweise beim Tauschhandel mit den Yankeeschiffen, die um Kap Hoorn herumkommen. Charles ist ein großer Mann in Kalifornien.«
    »Aber was, um alles in der Welt, ist da Schlimmes dabei?« fragte Garnet. »Vierzigtausend Morgen – Feudalherrlichkeit – für mich klingt das alles großartig.«
    Oliver atmete tief. »Es ist so«, sagte er. »Wir haben vierzigtausend Morgen. Charles’ Ziel ist es, achtzigtausend zu haben. Wir haben zehntausend Stück Vieh, Charles möchte zwanzigtausend haben. Und wenn er das erreicht hat, wird er trachten, das Erworbene wieder zu verdoppeln.«
    »Aber wohin soll das am Ende? Was will er denn?«
    »Es ist mit einem Wort zu umreißen«, sagte Oliver: »Macht!«
    Garnet runzelte die Stirn und suchte den Sinn zu erfassen. Oliver wandte sich ihr zu, als wünsche er ihr Gesicht in der Dunkelheit zu erkennen.
    »Ich will es so einfach wie möglich ausdrücken«, sagte er. »Siehst du, Kalifornien befindet sich, ebenso wie Europa, noch im Mittelalter. Es gibt da ein paar große Familien, denen gehört alles. Alle anderen arbeiten für sie auf den Ranchos oder sie wohnen in kleinen verstreuten Dörfern an der Küste.«
    Er bewegte sich unruhig; sie vermochte im Finstern kaum die Form seiner Schultern zu erkennen.
    »Ich bin das Wort ›Arbeit‹ gewöhnt«, sagte er. »Vielleicht ist das ein Fehler. Die eingeborenen Kalifornier wissen gar nicht, was Arbeit ist. Sie haben es zu leicht. Das Land ist so ungeheuer groß, der Boden ist so billig und das Vieh sorgt für sich selbst. Man braucht nichts weiter zu tun, als es einmal im Jahr zusammenzutreiben, zu schlachten, was schlachtreif ist, und die Häute zu verkaufen. Die Yankeeschiffe kaufen jede Haut, die sie bekommen können. Sie würden noch viel mehr kaufen, wenn

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