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Kalifornische Sinfonie

Kalifornische Sinfonie

Titel: Kalifornische Sinfonie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Gedanken, etwas zu essen, was aus diesen Schweineställen kam. Der Pfad stieg wieder an, führte über mehrere Gebirgspässe und schließlich über einen Gebirgskamm, den Oliver ›Glorieta Range‹ benannt hatte. Eine Welle der Erregung ging durch den Wagenzug; das Ziel war nahe.
    Ganz unvermittelt entstand eine große Betriebsamkeit. Die Männer begannen ihre Kleider zu waschen und zu bürsten, sie besserten Schäden aus und nähten abgerissene Knöpfe an. Aus geheimnisvollen Verstecken tauchten Spiegel auf. In jeder freien Minute sah man die Burschen, die sich während der langen Zeit den Teufel um ihr Aussehen gekümmert hatten, davor stehen und sich putzen. Nicht ein Mann im ganzen Treck hatte seit Independence einen Rasierpinsel angefaßt; jetzt begannen sie einer nach dem anderen ihre Bärte abzuschaben, schnitten ihr Haar und kämmten und scheuerten sich, bis das ganze Lager nach Seifenlauge roch. Dieser und jener, dem ein besonders stattlicher Backenbart gewachsen war, ließ ihn stehen und begnügte sich damit, ihn zu stutzen und zu kräuseln. Aus Kästen und Truhen wurden allerlei elegante und kostbare Schmuckartikel hervorgeholt: modische Gürtel und Schärpen, spiegelblanke Schuhe und Stiefel aus schmiegsamem Leder, Hemden aus rotem oder blauem Kaliko oder schottisch kariertem Flanell, hier und da sogar blütenweiße Hemden, die noch von der Stärke knisterten, mit der sie in Missouri präpariert worden waren. »Das alles ist nur zu natürlich«, sagte Oliver zu Garnet, »Santa Fé steckt voller Mädchen, und es sind alles nette und freundliche und nicht sonderlich spröde Mädchen. Selbstverständlich möchte jeder der Männer in Glanz und Glorie in die Stadt einziehen.«
    Im übrigen verwandelte Oliver sich auch. Luke war ihm behilflich, seinen wilden Bart loszuwerden. Als Garnet ihn hinterher sah, mußte sie unwillkürlich lachen. Olivers Gesicht war zur Hälfte braun und zur Hälfte weiß, genau wie damals, als sie ihn in New York zum erstenmal sah. Bald genug konnte sie feststellen, daß alle Männer des Zuges diesen spaßigen zweigesichtigen Anblick boten. Sie fragte sich lachend, was die Mädchen in Santa Fé wohl davon dächten. Vielleicht waren sie der Meinung, alle Yankees sähen natürlicherweise so aus.
    Eines Morgens war es dann soweit. Die Wagen rumpelten über einen Gebirgskamm. Während sie eine Biegung umfuhren, sah Garnet hinunter: unter ihr im Tal lag nach Norden zu Santa Fé.
    Die Stadt war noch eine Meile entfernt. Garnet erblickte einen Fluß, dessen Ufer mit Büschen und Baumwollstauden überwachsen waren, und einen offenen, viereckigen Platz. Der Platz wurde auf allen Seiten von weißen Würfeln begrenzt, die in der Sonne glänzten und von hier oben wie Schuhkartons aussahen. Das waren die Häuser von Santa Fé. Oliver erzählte Garnet, daß diese Häuser aus ungebrannten Ziegelsteinen erbaut seien. Die Erde rund um Santa Fé gab das Material für diese Ziegel ab. Natürlicherweise waren diese Ziegelhäuser braun, aber die Stadt Santa Fé putzte sich zum Empfang der Händler ebenso heraus, wie die Händler und ihre Männer sich schmückten, um Santa Fé zu begrüßen. In jedem Sommer, kurz vor dem Eintreffen der Händlerkarawane, wurden die Häuser frisch gewaschen und geweißt.
    Mitten zwischen den Häusern stand mit der Front nach dem großen, viereckigen Platz eine Kirche mit dickem, plumpem Glockenturm. An der Nordseite des Platzes erhob sich ein langgestrecktes, niedriges Gebäude mit Bogengewölben, die über die ganze Front hinweg von Säulen getragen wurden. Das war der Gouverneurspalast; hier wohnte und regierte der fette Armijo. Rund um die Stadt standen in den Feldern verstreut braune Schuhkartons. Die Bewohner dieser Häuser waren zu arm oder zu faul, um sich die Arbeit des Weißens zu machen. Dahinter sah man die Gebäude von Farmen und weite Gehege für Schaf-und Ziegenherden. Die Felder erstreckten sich nach Norden; sie wurden von Bewässerungsgräben durchzogen, die im Sonnenlicht wie Silberfäden glitzerten. Den Abschluß der Szenerie bildeten wieder die zackigen Grate der Felsengebirge.
    Luke holte eine Kiste vom Gepäckwagen herunter. Oliver zog ein weißes Hemd und einen schwarzen Anzug an und schmückte sich mit einem großen Seidenhut, mit glänzenden Schuhen und Handschuhen aus schwarzem Ziegenleder. Garnet holte ein Kleid aus bedrucktem Musselin aus der Kiste, dazu einen Strohhut mit Blumen und roten Seidenbändern, weiße Strümpfe und schwarze

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