Kalifornische Sinfonie
Anforderungen des Tages fertig zu werden.
Sie fuhren am Round Mound vorüber und betraten das Reich der großen Felsen. Der Pfad begann anzusteigen. Sie mußten scharfe Felszacken umfahren; der Boden wurde von Tag zu Tag rauher und unwegsamer. Zuweilen brauchten sie Stunden, um eine einzige Meile zurückzulegen. Zwischen den Felsgraten gab es reißende Flüsse, aber die Luft war so trocken, daß die Speichen sich in den Felgen der Räder lockerten; die Felgen selbst schrumpften unter den schweren Eisenreifen, und die Räder ächzten und stöhnten über den zusammengeschrumpften Achsen. Insbesondere die großen Güterwagen krachten in allen Fugen; der Zug mußte manchmal ein dutzendmal am Tage halten, um die notwendigsten Reparaturen auszuführen.
Die Männer besserten die auftretenden Schäden mit dem Holz aus, das sie im Council Grove geschlagen hatten. Sie umwanden die Räder mit Stricken, die sie aus getrockneter Büffelhaut selbst gedreht hatten. Je höher sie kamen, um so trockener und dünner wurde die Luft. Die Ochsen wurden nervös und waren immer schwieriger zu regieren; die Männer, die mit ihnen umgingen, wurden auch nervös; sie schimpften und fluchten den ganzen Tag; es gab fortgesetzt Zank und Streit. Je gereizter die Stimmung wurde, um so schwieriger wurde die Arbeit, die getan werden mußte. Die Zahl der Meilen, die täglich zurückgelegt wurden, verringerte sich ständig, und die mittäglichen Rastpausen für Männer und Tiere mußten ständig verlängert werden.
Hier im Felsenbereich gab es keine Büffel. Aber die Wagen führten getrocknetes Fleisch mit; außerdem gab es allerlei jagdbares Wild: Truthähne und Hasen und einen merkwürdigen Vogel, den die Männer Präriehuhn nannten; zuweilen führten die Flüsse auch Fische. Brot konnte nicht gebacken werden, denn hier oben gab es nicht genug Feuerung. Sie rösteten das Fleisch und aßen es mit Gerichten aus getrockneten Bohnen.
Oliver ließ den Kutschwagen durch einen seiner Männer fahren; er selbst ritt ständig an der Kolonne entlang, gab Anweisungen und griff selber mit zu, wenn Not am Mann war. Er arbeitete so schwer wie irgendeiner seiner Leute. Garnet lief die meiste Zeit. Ab und zu versuchte sie auch zu reiten, aber laufen war weniger anstrengend; es war keine einfache Sache, ein Pferd über diese schwindligen Grate zu führen. Wenn die Wagen dann hielten, war sie so müde, daß es ihrer ganzen Willenskraft bedurfte, vor dem Schlafengehen auch nur noch ein Paar Strümpfe auszuwaschen.
Die Karawane fuhr nun in eine wilde und grimmige Landschaft hinein, prangend in Rot und Gold. Selbst das kleinste Geräusch erzeugte ein Echo; vor dem durchsichtigen Horizont standen in strahlender Ferne die Konturen des Felsengebirges. Garnet war überwältigt; in den kühnsten Träumen hätte sie sich solche Höhen nicht vorzustellen vermocht. Wie sollte sie auch! Nur wenige Menschen hatten diesen Kontinent bisher durchquert. Sie dachte, im Bann der phantastischen Szenerie: In jeder Generation gibt es wohl immer nur wenige Menschen, die stark und mutig genug sind, sich eine neue Welt zu erobern. Das Gefühl, unter diesen wenigen zu sein, machte sie stolz.
Nachdem sie den höchsten Gipfel umgangen hatten, begann der Pfad sich wieder zu senken. Sie fuhren durch mehrere kleine Ansiedlungen, die einen schmutzigen und verwahrlosten Eindruck machten. In elenden kleinen Hütten lebten Menschen, deren Hauptbeschäftigung offenbar darin bestand, in der Sonne zu liegen und zu schlafen. Auch alle diese Menschen waren schmutzig, zerlumpt und augenscheinlich verwahrlost.
Garnet sagte zu Oliver: »Du hättest eine Wagenladung Seife hierherbringen sollen.«
Er lachte: »Ich bin Kaufmann und kein Missionar.«
»Sind die Leute in Santa Fé auch so dreckig wie die hier?«
»O nein, das sind sie nicht. Denkst du, ich hätte dich mitgenommen, um dich in eine solche Umgebung zu bringen?«
Dann und wann geschah es anscheinend, daß die Bewohner eines dieser schmutzigen Dörfer Anfälle von Schlaflosigkeit hatten. Dann kamen sie aus ihren Hütten heraus und boten Brot und Käse zum Kauf an, außerdem ein scharfes, schnapsähnliches Getränk, das sie Aguardiente nannten. Es gab Männer beim Treck, die selig waren, Aguardiente kaufen zu können, und andere, die Brot und Käse als willkommene Veränderung der eintönigen Fleischkost begrüßten. Garnet verzichtete auf beides. Sie war längst nicht mehr so wählerisch, was das Essen anging; aber sie schüttelte sich bei dem
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