Kalifornische Sinfonie
Und du kannst sicher sein, sie bersten fast vor Neugier, zu erfahren, was du unter deinem ihnen ohnehin schon märchenhaft und phantastisch vorkommenden Kleid trägst.«
Garnet lachte und sagte, sie hätte nichts dagegen. Die Neugierde der Silvas solle sie jedenfalls nicht davon abhalten, sich zu waschen.
Nachdem sie sich gereinigt und wieder angekleidet hatten, betraten sie das Zimmer mit dem Tisch. Hier hatten Señora Silva und ihre Töchter inzwischen allerlei Schüsseln aus rotem und blauem Steingut hingestellt, in denen verschiedene Speisen angerichtet waren, die seltsam aussahen und würzig dufteten. Garnet ließ sich auf der Bank nieder, und Oliver füllte ihr einen Teller mit flachen, runden Gebilden, die wie Pfannkuchen aussahen. Garnet griff zögernd zur Gabel.
»Nein«, sagte Oliver, »paß auf!« Er nahm einen der flachen Kuchen mit den Fingern auf und rollte ihn zusammen.
»Was ist das?« fragte Garnet.
»Tortillas. Diese Dinger werden hier an Stelle von Brot gegessen. Sie werden aus Maismehl gebacken und schmecken vorzüglich.«
Garnet versuchte sich selbst einen Kuchen zu rollen. Das Gebäck war heiß und schmeckte in der Tat ausgezeichnet. Señora Silva erschien und füllte Garnets Teller mit einem Gericht aus Hammelfleisch, Zwiebeln und Bohnen, mit chilenischem Pfeffer gewürzt. Sie goß leuchtend roten Wein in die Gläser. Das Bohnengericht war so scharf gewürzt, daß es Garnet zunächst auf der Zunge brannte; aber sie war so hungrig, daß es ihr nichts ausmachte. Der Wein war köstlich. Oliver sagte: »Hier wird zu jeder Mahlzeit Wein getrunken, sogar von den Kindern. Übrigens: bitte nie vor beendeter Mahlzeit um Wasser; das würde dir als grobe Unhöflichkeit ausgelegt werden. Señora Silva würde denken, ihr Essen schmeckte dir nicht und du wolltest den Geschmack mit dem Wasser herunterspülen.«
Sie aßen mit großem Appetit ihre Teller leer. Nun brachte Señora Silva Käse, der aus Ziegenmilch gewonnen war, und eine große Platte mit Weintrauben. Der Käse war fett und hatte einen seltsamen Geschmack. Garnet aß erst ein bißchen mißtrauisch davon, fand aber bald heraus, daß er großartig schmecke. Die Weintrauben waren die saftigsten und wohlschmeckendsten, die sie jemals gegessen hatte. Sie fragte: »Ist das ein Festessen zu Ehren unseres Empfanges, oder bekommen wir ähnliche Dinge jeden Tag?«
»Dies und ähnliches wird dir täglich serviert werden«, entgegnete Oliver. »Zum Frühstück bekommst du heiße Schokolade, sehr dickflüssig und außerordentlich schmackhaft; sie wird dir ans Bett gebracht.«
»Großer Gott!« seufzte Garnet, sprachlos vor Entzücken. »Frühstück im Bett! Wochenlang mußte ich tagtäglich im Morgengrauen aufstehen und bekam überhaupt kein Frühstück. O Oliver, sage ihr: Das Essen war ausgezeichnet. Ich fühle mich so von Luxus umgeben, daß ich mich selbst nicht wiedererkenne. Ich hoffe, bald so viel Spanisch zu lernen, um ihr selbst ein Kompliment machen zu können.«
Als Oliver der Señora Garnets Äußerung übersetzte, strahlte die Dame, knickste und versicherte, die junge Frau sei charmant und entzückend; sie wünsche ihr von Herzen ein langes Leben und viele Kinder.
Nach Tisch unternahm Oliver mit Garnet einen Rundgang durch die Stadt. Die Straßen waren noch immer voller Menschen. Die meisten der fremden Händler und Ochsentreiber hatten an jedem Arm ein Mädchen. Vor den Häusern standen die Mexikaner in plaudernden Gruppen und beobachteten das Treiben der Gäste. Garnet wurde überall, wo sie sich zeigte, wie eine Erscheinung angestarrt.
»Mach dir nichts daraus«, sagte Oliver, »es ist klar, daß du Aufsehen erregst.«
Garnet hängte sich fest in seinen Arm. Ich komme mir fremd und sonderbar vor, dachte sie, und sie empfinden mich auch als fremd und sonderbar. Oliver zeigte ihr die öffentlichen Gebäude und die Häuser der angesehensten Bürger. An der Südostecke der Plaza lag die Fonda, die größte Taverne von Santa Fé. Solange die Yankees in der Stadt weilten, schloß die Fonda ihre Pforten nicht.
»Anständige Frauen betreten die Fonda im allgemeinen nicht«, sagte Oliver, »aber wenn du willst, nehme ich dich mit.« Natürlich wollte sie; sie wollte alles sehen.
Während sie die Straße überquerten, um zur Fonda zu gelangen, gewahrten sie einen Mann in amerikanischer Kleidung, der eben in offenbar schwer betrunkenem Zustand von zwei jungen Mexikanern herausgeleitet wurde.
»Oh, mein Gott!« sagte Garnet, »laß uns
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