Kalifornische Sinfonie
Ecke. Im übrigen sah alles sauber und ordentlich aus. Auf dem Tisch standen rote und blaue Tonschüsseln, Tassen, die wie kleine Schalen aussahen, und eine große Platte mit Weintrauben und Äpfeln. In einem roten Krug steckten ein paar Zweige mit fremdartig anmutenden gelben Blüten.
Garnet dachte: sie muß hier wohnen. Sie konnte sich nicht vorstellen, daß Mr. Bartlett Blumen pflückte und Flaschen so ordentlich nebeneinander aufreihte.
Oliver kam zurück; er schloß die Schlafzimmertür hinter sich.
»Wo ist Florinda?« fragte Garnet.
»Sie bemüht sich, ihren Freund wieder zum Einschlafen zu bringen. Sie wird gleich hier sein.«
»Aber – Oliver – wie kommt sie nur nach Santa Fé?«
»Ich weiß darüber einstweilen nicht mehr als du. Sie bat, wir möchten warten; sie würde es uns erzählen.« Oliver setzte sich neben Garnet auf die Wandbank und streckte die Beine unter dem Tisch aus. »Schau, schau!« sagte er, »der Diakon! Ich hätte nie gedacht, daß er es fertigbrächte, solch eine Eroberung zu machen.«
»Du meinst, sie sei – zu schade für ihn?«
»Ich meine – du sahst die Pelze und die Juwelen, die sie in New Orleans trug. Ihre dortigen Liebhaber waren gewiß keine Bauerntölpel wie Mr. Bartlett.«
»Aber wer ist dieser Bartlett?«
Oliver grinste und angelte sich eine Weintraube von der Platte. »Hast du jemals einen frommen Heuchler gesehen?« fragte er.
»Wieso? Ich denke schon.«
»Ich wette, du hast nie ein Exemplar dieser Gattung wie Mr. Bartlett gesehen.« Er lachte. »Bartlett ist einer der führenden Kaufleute von St. Louis. Sein Ladengeschäft dort hat den größten Umsatz; die reichsten und angesehensten Leute kaufen bei ihm, weil er einen so erhebenden Einfluß in der Gemeinde ausübt. Er ist eine Säule der Kirche, er trinkt nicht, spielt nicht, benimmt sich in jeder Beziehung vorbildlich und führt erbitterte Kreuzzüge gegen Kneipen und Lasterhöhlen. Das macht er vom September bis zum April. Im April verläßt er St. Louis und führt seine Wagenkolonne nach Santa Fé. Während der ganzen Fahrt bleibt er völlig nüchtern. Dabei ist weiter kein Verdienst, denn man kann in betrunkenem Zustand keinen Wagenzug durch die Prärie führen. Aber er kann sich auf der Fahrt wenigstens seine Frömmigkeit schon abgewöhnen. Und das tut er weidlich. Er flucht und führt eine Sprache, vor der er sich entsetzen würde, vernähme er sie in St. Louis. Kommt er dann schließlich nach Santa Fé, ist es mit der Enthaltsamkeit endgültig aus. Dann läßt er sich rückhaltlos gehen, säuft, spielt und veranstaltet Skandale.«
Garnet hatte ihm in fassungslosem Staunen zugehört. »Wie«, sagte sie; »während der ganzen Zeit, wo er in Santa Fé ist, trinkt er so wie heute? Aber wie kann er in diesem Zustand irgendwelche Geschäfte abwickeln?«
»Oh, er hat einen Geschäftspartner. Einen Amerikaner namens Wimberly, der während des ganzen Jahres in Santa Fé wohnt. Sobald Bartlett seine Wagenkolonne durch die Pässe gebracht hat, ist es mit ihm aus. Alles weitere besorgt Wimberly. Er verkauft die mitgebrachten Waren, während der heilige Diakon aus St. Louis durch die Straßen torkelt, grölend und Schlager singend, an jedem Arm ein Mädchen, und das so lange, bis er genug Aguardiente im Bauch hat und irgendwo umfällt. Irgendjemand hebt ihn dann auf und bringt ihn nach Hause.«
Garnet konnte sich nicht helfen, sie mußte lachen, obgleich sie noch immer verwirrt und befremdet war. »Aber es kommen doch sicher viele Händler durch St. Louis«, sagte sie schließlich. »Brechen die nicht in Gelächter aus, wenn sie Bartlett dort mit frommem Augenaufschlag und der Bibel in der Hand erblicken?«
»Natürlich tun sie das«, antwortete Oliver, »aber sie erzählen den ehrenwerten Leuten in St Louis nicht, worüber sie lachen. Es würde ihnen den Spaß verderben. Und wenn wir im nächsten Jahr wieder durch St. Louis kommen, dann erzähle auch du keinem, in welchem Glanz und in welcher Herrlichkeit du den frommen Mann hier erblicktest.«
»Aber wo mag er Florinda getroffen haben? In St Louis?«
»Ich weiß es wahrhaftig nicht. Aber da kommt Florinda selbst Sie wird es uns erzählen.«
Florinda trat leise ein und schloß geräuschlos die Schlafzimmertür hinter sich. Sie kicherte.
»Wie geht es Bartlett?« fragte Oliver.
»Oh, er ist wohlbehalten in sein Traumland zurückgekehrt«, sagte Florinda. »Ich weiß nicht, wie lange es dauern wird. Es ist nett, daß Sie gewartet haben. Möchten Sie
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