Kalifornische Sinfonie
waren?«
Florinda warf einen flüchtigen Blick zur Schlafzimmertür und schüttelte den Kopf. Ein schweres Schnarchen überzeugte sie davon, daß Bartlett schlief.
»Es begann so«, sagte sie. »Wie Sie sich denken können, lief ich in der schwarzen Vermummung auf dem Schiff herum. Die Witwenkleidung erfüllte vollkommen ihren Zweck, genau wie Sie es erwartet hatten. Jedermann begegnete mir mit größter Zuvorkommenheit. Die Herren machten mir ehrfurchtsvolle Verbeugungen und die Damen lächelten mich mitfühlend an. Es war großartig. Offensichtlich erkannte mich kein Mensch. Am zweiten Tag ging ich, Ihrem Rat folgend, an Deck, um frische Luft zu schöpfen. Auf dem Deck befand sich ein Herr, der erst an diesem Morgen an Bord gekommen war und der allein reiste. Er zog einen Stuhl für mich heran, hob mein Taschentuch auf und bot mir ein Magazin zum Lesen an. Alles sehr höflich und korrekt. Ich hielt ihn seinem Äußeren nach für einen Prediger oder einen Universitätsprofessor.« Ein verdächtiges Zucken umspielte ihre Lippen; sie unterdrückte ein Kichern. »Sie werden es nicht für möglich halten, nachdem Sie ihn hier in diesem Zustand sahen«, fuhr sie fort, »aber ich versichere Ihnen, Mr. Bartlett kann so würdevoll sein wie ein Baum voller Eulen.«
»Ich weiß«, grinste Oliver. »Was geschah weiter?«
Florinda sah ihn aus großen Augen an. »Ich bin doch nun wahrhaftig in meinem Leben ziemlich herumgekommen und habe alle möglichen Menschen kennengelernt«, sagte sie, »aber Bartlett hat mich am ersten und auch noch am zweiten Tag vollkommen getäuscht. Ich wäre nie auf den Gedanken gekommen, ein so vornehm und würdig aussehender Herr könne mir ebenso etwas vorspielen wie ich ihm. Er fuhr fort, mir allerlei kleine Gefälligkeiten zu erweisen; er trug meinen Stuhl aus der Windrichtung heraus, brachte mir eine Decke und hüllte meine Knie ein und war in jeder Weise liebenswürdig und höflich um mich besorgt. Ich dankte ihm ebenso liebenswürdig und las, um ihm einen Gefallen zu tun, dann und wann in seinen Magazinen. Es war schrecklich für mich, sage ich Ihnen; aber was sollte ich tun? Jedermann erwartete ja schließlich, daß ich mich wie eine guterzogene, trauernde Witwe benähme. Die Rolle lag mir, offen gestanden, nicht besonders. Bartlett setzte sich schließlich neben mich und begann mir zu erzählen. Das war nett; ich habe gern jemand um mich, zu dem ich sprechen kann; es ist mir gräßlich, irgendwo einsam herumzusitzen. Er meinte, es sei doch entsetzlich traurig für mich, so jung verwitwet zu sein und ohne Beschützer reisen zu müssen. Nun, und so fort. Ich erzählte ihm die Geschichte, die Sie sich ausgedacht hatten, Garnet, daß ich meinen Mann seiner erschütterten Gesundheit wegen nach dem Süden gebracht hätte und daß er dort gestorben sei.«
Garnet hielt die Faust gegen den Mund gepreßt und schluckte, um nicht laut herauslachen zu müssen. Florinda fuhr fort:
»Als ich Bartlett das nächste Mal an Deck begegnete, bat er mich, ihm etwas mehr von meinem Leben zu erzählen. Nun, Sie denken sich schon, wie das ist: Wenn ein Mann will, daß Sie ihm etwas erzählen, dann meint er in Wirklichkeit, daß Sie ihm zuhören sollen, was er über sich selbst zu erzählen hat. Ich sage Ihnen, dieser Mann sprach drei Tage lang ohne Atem zu holen.«
Florinda lachte in der Erinnerung.
»Nun«, sagte sie, »ich hatte nichts dagegen, ihm zuzuhören. Ich höre ganz gerne zu, wenn jemand erzählt. Er sagte mir, daß er Santa-Fé-Händler sei. Er sei unten am Strom gewesen, um bestimmte Waren einzukaufen; jetzt sei er auf dem Wege nach St. Louis, wo er wohnte. Er sprach vom Santa-Fé-Handel, und was er darüber erzählte, kannte ich zum Teil schon aus Garnets Erzählungen. So wußte ich, daß vieles von dem, was er sagte, stimmte. Aber schließlich tat er, was alle Männer am Ende tun: er erzählte Geschichten. – Großer Gott! was der Mann zusammenlügen kann! Er erzählte mir, wie viele Indianer er umgebracht habe. Wenn man ihm glauben wollte, hatte er die gefährlichsten Burschen immer sozusagen mit der linken Hand erledigt. In blutigen Gefechten hatte er wie ein Löwe gekämpft, wilde Kriegerhorden hinter sich und stampfende Büffelherden vor sich, während seine von den Rothäuten angesteckten Wagen wie Fackeln brannten. Furcht hatte er nie gekannt, denn er war jederzeit sicher, daß der liebe Gott ihn höchstpersönlich beschützte.«
Florinda pfiff leise vor sich hin. »Hören Sie,
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