Kalifornische Sinfonie
Oliver«, sagte sie; »ich begreife nicht, wie er es fertigbringt, die Leute in Missouri zu Narren zu machen. Möglich, daß ein Mann hier und da auf seine Schauspielkunst hereinfällt, aber jedes Mädchen, das auch nur ein bißchen von Männern versteht, muß ihn doch in kürzester Zeit durchschauen, als wäre er aus Glas. Und er war offensichtlich überzeugt, ich glaubte ihm jedes Wort.« Sie lachte und machte eine Pause.
»Und dann kam mir ganz plötzlich ein Gedanke«, fuhr sie fort. »Ich bekam Lust, nach Santa Fé zu reisen. Ich hatte mir schon lange den Kopf darüber zerbrochen, was ich anfangen sollte, wenn ich das Schiff verlassen hätte. Natürlich hätte ich mich nach irgendeiner Arbeit umsehen können; etwa als Schneidergehilfin; Heftfaden herausziehen könnte ich schließlich. Aber solange dieser Reese das Land nach mir absuchen läßt, hätte ich mich nicht einmal in der Hinterstube eines Schneiders sicher gefühlt. Ich fand, es wäre ganz gut, wenn ich erstmal eine Zeitlang verschwände. Gewiß würde niemand auf den Einfall kommen, mich achthundert Meilen jenseits der Grenze zu suchen. Außerdem: die Sache lockte mich. Ich hatte solch eine Reise nie zuvor unternommen, ich dachte, es müsse ein großartiges Abenteuer werden.« Florinda strich eine Locke ihres Haares zurück und befestigte sie mit einer Haarnadel. »Nun«, sagte sie, »ich verschaffte Mr. Bartlett also die Überzeugung, eine ehrbare junge Witwe veranlaßt zu haben – Oliver, wie würden Sie das einem behüteten jungen Mädchen gegenüber ausdrücken?«
Oliver grinste. »Ich schlage vor: ›den engen Pfad der Tugend zu verlassen und den breiten Pfad der Freude und des Vergnügens einzuschlagen.‹«
»Das ist es«, sagte Florinda. »Der Pfad der Freude und des Vergnügens war in diesem Falle der Weg nach Santa Fé.«
Sie zuckte die Achseln: »Die Dinge entwickelten sich so. Ich habe im Grunde nichts dazu getan.«
»Und ich sagte Ihnen schon, daß Mr. Bartlett höchstwahrscheinlich sehr glücklich ist«, lachte Oliver. Er sah sich im Zimmer um. »Ich habe das Logis hier früher gesehen, wenn Bartlett hier wohnte«, sagte er. »Es hat nie so ausgesehen: sauber, aufgeräumt, Blumen auf dem Tisch.«
»Oh, er freut sich daran. Und wenn er nun etwa durch Sie erführe, wie die Dinge mit mir bestellt sind, ich glaube, es wäre ein heftiger Schlag für ihn. Er ist so stolz; er schwillt jedesmal richtig, wenn er mich ansieht. Er ist glücklich, eine solche Eroberung gemacht zu haben.«
»Sie können uns wirklich vertrauen«, sagte Oliver.
»Ich danke Ihnen sehr«, seufzte Florinda. »Wenn Sie nur nicht vom ›Schmuckkasten‹ oder vom ›Blumengarten‹ sprechen!«
Aus dem Nebenzimmer rief Bartlett nach Florinda. Garnet fuhr zusammen. Florinda stand auf und machte eine beruhigende Geste mit der Hand.
»Wir werden uns öfter sehen«, sagte sie. »Ich muß jetzt zu ihm. Er ist immer ganz hilflos in solchem Zustand. Ich muß ihn beruhigen.«
Garnet erhob sich nun auch. Sie legte Florinda die Hand auf den Arm. »Eine Minute«, sagte sie, »ich habe Ihnen noch nicht für die Smaragdohrringe gedankt.«
»Pst, Darling!« Florinda blickte nach der Tür und dämpfte ihre Stimme zum Flüstern. »Erwähnen Sie keine Smaragde. Er ahnt nicht, das ich jemals dergleichen hatte.« Sie öffnete die Tür. »Ja, Mr. Bartlett, hier bin ich.«
***
Oliver unterhielt in einem Hause, das er für jede Sommersaison gemietet hatte, ein eigenes Geschäft; es war nicht sehr weit vom Hause der Silvas entfernt. Hier war Tag für Tag großer Betrieb; fortgesetzt kamen und gingen Käufer. Oliver hatte viel zu tun, und Garnet sah ihn zwischen Frühstück und Abendessen nicht viel. Aber sie fühlte sich nicht einsam. Jetzt, da sie Florinda gefunden hatte, fehlte es ihr nicht an Unterhaltung. Florinda besuchte sie nahezu täglich.
Mr. Bartlett sah Garnet dagegen nur sehr selten. Florinda sagte, er wache in der Regel mit schwerem Kopf auf und fordere kalte Umschläge und Schnaps. Sobald er dann auf den Füßen stände, ginge er zur Fonda oder in eins der Spielhäuser. Florinda hatte demzufolge auch sehr viel Zeit. Sie sprach von Mr. Bartlett mit einer Art gutmütigen Spottes, etwa wie man von einem Kind spricht, für dessen Pflege man verantwortlich ist. Garnet faßte das nicht ganz. »Aber, mein Gott!« rief sie eines Tages aus, »ist denn ein Leben mit so einem Mann nicht eine schreckliche Sinnlosigkeit?«
Florinda zuckte die Achseln. »Es ist jedenfalls besser als
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