Kalix - Die Werwölfin von London
lustig?«, fragte Vex eifrig.
Malveria runzelte die Stirn. »Ja, das könnte es durchaus. Aber hör bitte zu. Du musst dich ganz in Schwarz kleiden und -«
»Was denn, willst du mich etwa opfern lassen?«, fragte Vex. »Das ist viel zu streng, ich meine, das waren ja nur ein bisschen Grünzeug und ein Fenster. Du kannst ein Mädchen doch nicht umbringen lassen, nur weil sie -«
»Hör jetzt auf, mich zu unterbrechen!«, brüllte Malveria. »Noch ein unpassendes Wort und ich kürze dir das Kleidergeld für ein ganzes Jahr! Und mache dich gleich auch einen Kopf kürzer. Jetzt pass auf. Niemand soll geopfert werden. Die schwarze Kleidung ist ein modisches Statement. Das scheint bei den Menschen, zu denen ich dich gleich schicken werde, so üblich zu sein.
Sogar deine absurd klobigen Schuhe passen dort hin. Du wirst eine Party in der Welt der Menschen besuchen, und dort musst du einen jungen Mann namens Daniel kennenlernen.«
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Gawain erreichte den Bahnhof Euston. Als er aus dem Zug stieg, folgten ihm die beiden Jäger und Madrigal, Sarapens Handlanger. Es war fünf Uhr nachmittags und bereits dunkel. In London war es ein paar Grad wärmer als in Schottland, aber der anbrechende Winterabend fühlte sich nach dem warmen Zug trotzdem kalt an.
Gawain erinnerte sich, dass Thrix ihr Büro im Zentrum hatte. Er ging zu Fuß los und freute sich schon auf die Bewegung, nachdem er fünf Stunden lang im Zug gesessen hatte. Er ging Richtung Süden, vorbei am University College, Richtung Holburn und dann rechts in die Oxford Street. Die Bürgersteige waren voll, weil die Geschäfte und Büros der Hauptstadt gerade schlossen und die Angestellten zur U-Bahn liefen oder an Bushaltestellen warteten. Gawain war solche Menschenmengen nicht gewohnt und verließ die Hauptstraße, um sich einen hoffentlich ruhigeren Weg nach Soho zu suchen. Die Jäger der Gilde folgten ihm unauffällig und suchten nach einem stillen Eckchen, um den Werwolf zu stellen. Als sie sahen, wie er die Hauptstraße verließ, liefen sie rasch bis zur nächsten Querstraße in der Hoffnung, ihn zu überholen und ihm den Weg abschneiden zu können.
Die Jäger waren schnell. Sie rannten um die Ecke, mit gezogenen Waffen und bereit zum Angriff, sobald der Werwolf vor ihnen auftauchen würde. Aber Gawain war nicht da. Er stand hinter ihnen, versteckt in einem Hauseingang.
Obwohl es dunkel war, hatte er sich nicht einmal die Mühe gemacht, sich zu verwandeln. Gawain sprang vor und versetzte beiden Jägern einen Hieb in den Nacken. Sie fielen bewusstlos zu Boden. Er hob ihre Waffen auf, steckte sie in seine Tasche und lief weiter. Wie absurd. Hatten die Jäger wirklich gedacht, sie könnten ihn so einfach überrumpeln? Er schüttelte den Kopf. In dieser Stadt waren sie offensichtlich keine Krieger gewohnt. Gawain warf die Pistolen ein paar Blocks
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weiter in einen Schuttcontainer und setzte seinen Weg Richtung Soho fort.
Als die Jäger wieder zu Bewusstsein kamen und ihnen klar wurde, dass der Werwolf sie ausmanövriert hatte, waren sie erstaunt, noch am Leben zu sein.
Gawain tötete nicht gerne ohne Not. Anders als die meisten Clanmitglieder, Kalix eingeschlossen, nahm er anderen nicht leichtfertig das Leben, nicht einmal einem Wer-wolfjäger. Außerdem hatte er es eilig, und sie waren es nicht wert, Zeit zu verlieren. Madrigal war ein geübterer Verfolger und eher mit dem Verhalten von Werwölfen vertraut. Er beobachtete, was geschah, und folgte Gawain weiter unbemerkt.
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Um zwei Minuten nach drei stand Dominil vor der Tür des Probestudios Huge Sound, gleich südlich der London Bridge, und machte ein unzufriedenes Gesicht. »Wo bleiben sie?«, grummelte sie.
»Es ist erst zwei nach«, meinte Beauty. »Du kannst doch nicht erwarten, dass die Leute auf die Minute genau da sind.«
»Warum nicht? Wir waren um drei Uhr hier, und ich erwarte auch von anderen, dass sie pünktlich sind.«
Beauty und Delicious waren nur rechtzeitig im Studio, weil Dominil sie zu unmenschlicher Stunde aus den Betten gezerrt und gezwungen hatte, sich fertig zu machen. Das war nur der jüngste der Schocks, welche die Zwillinge erlitten hatten, seit sie sich von der weißhaarigen Werwölfin helfen ließen. Der Hausputz war besonders traumatisch gewesen. Er hatte ewig gedauert und ihnen ein beunruhigend sauberes Haus hinterlassen. Überall roch es so seltsam nach Zitrone; das konnte einfach nicht richtig sein. Die 197
Zwillinge hatten lautstark protestiert, aber als die
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