Kalix - Die Werwölfin von London
bevor er sie sah.
»Was ist das?«
»Nichts«, grummelte Kalix wieder. Die Situation war ihr äußerst peinlich.
»Musst du den Hund zurück in das Körbchen bringen?«, fragte Daniel, der den Sinn mit einem Blick erfasste. »Lass mich mal versuchen.«
Daniel setzte sich neben sie, tippte die richtigen Wörter ein und konnte den Welpen rasch sicher nach Hause führen. »Was kommt als Nächstes?«
Sie klickten auf den Link für die nächste Seite. Darauf standen mehrere Wörter mit fünf Buchstaben, und auf Kalix wirkte die Seite wie eine echte Herausforderung.
»Na gut, dann bringen wir diesen Büffel mal sicher über die Prärie«, sagte Daniel.
»Sieht schwierig aus«, meinte Kalix unsicher.
»Schwierig? Für so eine kluge Werwölfin? Bestimmt nicht. Fang lieber an, der Büffel wird schon ganz unruhig.«
Kalix antwortete mit einem äußerst zaghaften Lächeln und machte sich an die Aufgabe.
Unten saß eine zufriedene Moonglow. Sie hatte eine stressige Zeit hinter sich, aber langsam gewöhnte sie sich an ihre neue Wohnung, und zum ersten Mal war ihr Freund zu Besuch. Sie hatte etwas gekocht, und Jay war wie immer voll des Lobes gewesen. Jetzt saßen sie auf dem Sofa, hörten Kate Bush, und Jay er-zählte ihr von dem Horoskop, das er für einen Freund gezeichnet hatte und das einige interessante Einblicke bot. Moonglow hörte gespannt zu und wickelte sich dabei Jays langes, schwarzes Haar um die Finger.
Oben hatte Kalix mit etwas Hilfe von Daniel den Büffel mittlerweile sicher über die Prärie gebracht. Außerdem hatte sie einem Babykänguru zurück in den Beutel der Mutter geholfen und einem Löwenjungen zurück in seine Höhle.
Dabei hatte sie einige neue Wörter schreiben gelernt und war sehr zufrieden mit sich. Daniel war für so etwas genau der richtige Partner. Er mochte alle Computerspiele, von ganz einfachen bis zu hochkomplexen, und aus irgendeinem Grund fühlte sie sich nicht dumm, wenn er neben ihr saß, während sie sich abmühte, das Wort Löwen zu buchstabieren.
Nach dem Löwenabenteuer war Kalix erschöpft.
»Ich kann nicht mehr.«
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Daniel nickte zustimmend.
»Du solltest nicht zu viel auf einmal machen, das ist nicht gut. Die gleiche Philosophie verfolge ich an der Uni.« »Ist Jay hier?«, fragte Kalix.
»Er stopft gerade alles Essbare im Haus in sich hinein und schwafelt ohne Ende über seinen Besuch auf dem Dracula-Festival in Whitby«, antwortete Daniel missmutig. »Man sollte meinen, Moonglow hätte einen besseren Geschmack.«
»Soll ich ihm wohl Hallo sagen?«
»Wahrscheinlich. Moonglow hat ihm erzählt, du wärst meine jüngere Cousine, die uns hier in London besucht.«
Dann ging Daniel in sein Zimmer, um Musik zu hören, auf dem Bett zu liegen und sich wegen Jay und Moonglow unglücklich zu fühlen. Kalix fuhr den Computer herunter. Daniel hatte gesagt, sie solle Jay begrüßen. Also musste das richtig sein. Wenn sie das nicht tat, wäre es vielleicht unhöflich. Plötzlich fielen Kalix die ganzen Sachen ein, die Moonglow ihr verboten hatte, und sie wurde nervös. Was, wenn sie etwas Seltsames tat und Jay vor den Kopf stieß? Dann würde Moonglow böse werden. Schon der Gedanke daran, nach unten zu gehen, machte ihr Angst. Sie würde bestimmt irgendetwas Merkwürdiges tun.
»Egal, was ich mache«, dachte Kalix, »es ist sicher falsch. Und alle werden mich hassen.«
Sie dachte, es sei am besten, wenn sie in ihrem Zimmer und damit in Sicherheit blieb. Aber Daniel hatte gesagt, sie solle Jay begrüßen. Kalix knurrte. Mit Menschen zusammenzuleben war einfach zu anstrengend. Um ihre aufsteigende Panik zu bekämpfen, holte Kalix ihre Flasche Laudanum aus ihrer Tasche. Sie nahm einen großen Schluck und wartete, bis sie ruhiger wurde. Eine Erinnerung an ihr Leben in Burg MacRinnalch kam ihr in den Sinn. Als sie etwa zwölf Jahre alt war, hatten sich einmal Gäste an der großen Tafel versammelt.
Damals hatte Kalix schon ihre Abneigung gegen Nahrung entwickelt und wollte nicht essen. Spä
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ter hatte Verasa Kalix dafür gescholten, sie vor ihren Gästen blamiert zu haben.
Dann war sie mit Schimpf und Schande in ihr Zimmer geschickt worden. Als Kalix jetzt daran dachte, hatte sie die vage Vorstellung, wenn sie hinunterging, würde Moonglow ihr Essen anbieten und dann mit ihr schimpfen, wenn sie in Jays Gegenwart nichts hinunterbrachte. Der Gedanke machte ihr Angst, also trank sie noch etwas Laudanum.
Im Wohnzimmer sahen sich Moonglow und Jay das gezeichnete Horoskop
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