Kalix - Die Werwölfin von London
hatte. Der Werwolf stand lange nur stumm da. Drei Jahre lang hatte er sich danach gesehnt, Kalix wiederzusehen.
»Jetzt habe ich sie gesehen«, dachte er bitter. Er sprang über den Zaun und lief fort, ohne Ziel, nur mit dem Wunsch, so viel Abstand wie möglich zwischen sich und den unerträglich schmerzhaften Anblick von Kalix in den Armen eines anderen zu bringen.
In ihrem Büro im Herzen Londons schlief Thrix auf ihrem Sofa. Plötzlich wurde sie wach. Wie tief die Zauberin auch schlafen mochte, nichts konnte sie überrumpeln. Sie sah sich im Zimmer um, ihre Werwolfaugen passten sich sofort an die Dunkelheit an. Das Büro war leer, aber ein leises Kratzen draußen ließ sie erschrocken herumfahren. Sie befand sich im vierten Stock; vor ihrem Fenster konnte unmöglich jemand sein.
Am schmalen Fenstersims klammerte sich ein Werwolf fest, der offenbar ihre Aufmerksamkeit erregen wollte.
»Gawain? Was machst du denn hier?«
»Ich brauche jemanden zum Reden.«
»Du brauchst jemanden zum Reden?« Die Zauberin war verblüfft und überlegte, das Fenster wieder zu schließen. Aber als sie Gawain in die Werwolfaugen blickte, erkannte sie, dass ihm vor kurzem die Tränen gekommen waren. Sie trat einen Schritt zurück, damit er hereinkommen konnte. Gawain stand verlegen im Zimmer. Mitleidslos musterte Thrix ihn.
»Ich hoffe für dich, es ist wichtig, Gawain.«
Die Zauberin war wütend, dass Gawain es gewagt hatte, einfach vor ihrem Fenster aufzutauchen und sie zu wecken. Von dem unschönen Zwischenfall bei Zatek tat ihr noch alles weh, was sie noch mehr verstimmte.
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»Was ist so wichtig, dass du an meinem Haus hochkletterst? Hast du etwas beschädigt?«
Gawain wirkte vollkommen verzweifelt. »Kalix«, sagte er schließlich. »Ist sie tot?«
Gawain schüttelte den Kopf. Mehr schien er nicht sagen zu wollen. Thrix verlor allmählich die Geduld. Und sie mochte Gawain nicht besonders.
»Sag mir, was los ist, oder verschwinde.«
»Ich habe gesehen, wie sie jemanden geküsst hat«, sagte Gawain.
Thrix hätte fast gelacht. »So viel zur großen Leidenschaft«, dachte sie.
»Vielleicht sieht Gawain jetzt ein, dass man sich in Kalix nicht verlieben sollte.«
»Gawain, du hast Kalix nie richtig verstanden.«
Gawain ließ sich auf einen Stuhl sacken. Er litt so offensichtlich, dass nicht einmal die Zauberin, die wenig Mitleid übrig hatte, ihn hinauswerfen konnte.
Sie nahm wieder menschliche Gestalt an, ging zu ihrer Vitrine und holte den Whisky hervor.
»Das hier finden die MacRinnalchs in der Regel bei allen Problemen hilfreich«, kommentierte sie trocken und schenkte zwei Gläser ein.
n8
Sarapen dachte lange über seine Begegnung mit Dominil nach. Sie hatte beunruhigende Gefühle wachgerufen. Obwohl Sarapen sich voll und ganz auf die Nachfolge als Fürst konzentrierte, drängte sich ihm doch immer wieder das Bild der weißhaarigen Werwölfin auf. Es hatte ihn selbst überrascht, wie stark seine Gefühle für Dominil noch immer waren. Als er gesehen hatte, wie 256
die Jäger das Studio betraten, hatte Sarapen Kalix und die Nachfolge völlig vergessen und war ihr zu Hilfe geeilt.
Er hasste Dominil. Aber leider hatten seine leidenschaftlichen Gefühle für sie nie nachgelassen. Er dachte daran, wie dicht nebeneinander sie im Auto gesessen hatten, als sie aus dem Studio kamen, und wie nah sich ihre Gesichter gekommen waren, als sie sich auf der Straße gegenüberstanden. Hätte Sarapen sich nicht in diesem Moment umgedreht, hätte er vielleicht versucht, sie in die Arme zu nehmen.
»Und wie hätte dieses Miststück darüber gelacht«, grummelte er, wütend auf sich selbst. So für die Werwölfin zu empfinden, die seinen verwünschten Bruder als neuen Fürsten vorgeschlagen hatte. Einfach unfassbar. Sarapen behielt seine Gedanken für sich. Sein wichtigster Berater Mirasen war tot, aber Sarapen hätte wohl auch nicht mit ihm gesprochen, wäre Mirasen noch bei ihm gewesen. Es war nicht Sarapens Art, über seine Gefühle zu sprechen.
Decembrius befand sich auf dem Rückweg nach Schottland, um sich von seiner Mutter pflegen zu lassen. Leider, denn Sarapen hätte sein Talent, Gesuchtes aufzuspüren, gut gebrauchen können. Sarapens Werwölfe konnten Markus nicht finden, obwohl Sarapen nicht einmal wusste, warum Markus sich verstecken sollte. Warum sollte er verschwinden, nachdem er den Mut aufgebracht hatte, Sarapens Haus zu überfallen? Das ergab keinen Sinn.
Sarapen verwünschte seine Wächter und befahl ihnen
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