Kalix - Die Werwölfin von London
weiterzusuchen, bis sie Markus fanden. Was Kalix betraf, so wollte Sarapen sie immer noch töten. Sie hatte es verdient zu sterben, und ihr Tod würde ihn zum Fürsten machen.
Wieder kam ihm Dominil in den Sinn. Was machte sie nur bei diesen verwahrlosten Zwillingen? Die beiden waren ihre Gegenwart gar nicht wert.
Dominil hatte sich im Kampf großartig geschlagen. Ihre Erbarmungslosigkeit gereichte allen Kämpfern der MacRinnalchs zur Ehre. Sarapen schüttelte den Kopf und versuchte, nicht an sie zu denken.
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Dominil dachte nicht an Sarapen. Sie war vollauf damit beschäftigt, einen neuen Proberaum zu buchen und einen Auftrittsort für die Schwestern zu finden. Der Zusammenstoß mit der Avenaris-Gilde war ungelegen gekommen, änderte aber nichts an ihrem Zeitplan. Dominil hatte wieder die Computer der Gilde infiltriert und zufrieden festgestellt, dass sie keine direkten Informationen über die Zwillinge oder sie selbst besaß. Es war reiner Zufall gewesen, dass jemand im Studio sie als Werwölfinnen erkannt hatte.
Dominus einziger Gedanke über Sarapen war das knappe Zugeständnis, dass er einen guten Kämpfer abgab, den man in einer Schlacht gerne an seiner Seite wusste. Das galt auch für Kalix. Nachdem Dominil gesehen hatte, mit welchem Ingrimm die Werwölfin Kalix gekämpft hatte, war sie überrascht, wie dürr sie als Mensch war. Man hätte ihr nicht zugetraut, jemandem Schaden zuzufügen.
Aber das hatte sie, und zwar äußerst effektiv.
Dominil wusste nicht, warum Kalix von den Zwillingen weggegangen war, ohne sich zu verabschieden. Vielleicht hatte sie sich gelangweilt. Oder vielleicht war das einfach ihre Art; Kalix galt schon lange als unvernünftig. Das kümmerte Dominil nicht. Sie hatte Verasa bereits gesagt, dass sie nicht bereit war, für noch eine junge Werwölfin das Kindermädchen zu spielen. Es war schlimm genug, dass sie auf Butix und Delix aufpassen musste. Die beiden hatten sich nach dem Kampf im Studio hoffnungslos betrunken. Nicht, dass sie besonders gut gekämpft hätten, schließlich konnten sie sich nicht verwandeln. Aber selbst in menschlicher Gestalt waren sie stärker als die meisten Männer, und sie waren nicht vor dem Kampf zurückgeschreckt, das musste man ihnen lassen.
Dominil mochte die Musik der Zwillinge nicht, aber sie glaubte zu verstehen, was sie antrieb. Beauty und Delicious sangen beide, weil jede ein zu großes Ego besaß, um ihrer Schwester die Position als einzige Frontfrau zu überlassen.
Beide posierten gerne mit ihren Gitarren, aber für die letzten Songs in ihrem Set legten sie ihre Instrumente beiseite, um ihr Publikum nur noch anzusingen, 258
oder besser anzuschreien. Dominil konnte das durchaus nachvollziehen.
Wahrscheinlich brauchte man als Frontfrau einer Band ein großes Ego. Dominil hatte der Band mit ihrer praktischen Art bei der Software für den Sampler geholfen, um den Sound zu stellen, wenn die Schwestern ihre Gitarren weglegten.
Dominil verließ das Haus frühmorgens mit dem Vorhaben, eine Auftrittsmöglichkeit für die Zwillinge zu finden. Aber vorher musste sie einen Abstecher in den Osten Londons machen, zum Laden des jungen MacDoig. Ihr Vorrat an Laudanum war beinahe aufgebraucht, und sie benötigte neues.
Laudanum war Dominus heimliches Laster. Niemand wusste davon, nicht einmal Verasa.
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Ann kam zeitig zur Arbeit. Sie fuhr mit dem Aufzug in den vierten Stock und schloss die Bürotür auf. Dann nahm sie die Post mit, sortierte sie in verschiedene Stapel und brachte Thrix' Post in deren Büro, damit sie die Briefe gleich fand, wenn sie ankam.
Ann öffnete Thrix' Tür, schaltete das Licht an und blieb wie angewurzelt stehen.
Ihre Arbeitgeberin lag auf dem Sofa. Ein junger Mann, den Ann vom Sehen, aber nicht dem Namen nach kannte, lag neben ihr. Offenbar waren beide nackt, und der Mantel, den sie als Decke benutzten, bedeckte nicht viel. Thrix wurde sofort wach. Als sie die Augen aufschlug, strahlte ihre persönliche Assistentin sie an.
»Kaffee?«, fragte Ann.
»Großer Gott«, sagte Thrix entsetzt.
Der junge Mann öffnete die Augen.
»Ich lasse Sie zwei erst mal allein«, sagte Ann. »Sie haben in einer halben Stunde ein Meeting; soll ich es verschieben?«
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»Nein!«, antwortete Thrix laut. »Holen Sie den Kaffee.«
»Es wäre kein Problem zu verschieben«, sagte Ann fröhlich.
»Jetzt verschwinden Sie schon aus meinem Büro und holen mir einen Kaffee«, zischte Thrix, die vom amüsierten Blick ihrer Assistentin genug
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