Kalix - Die Werwölfin von London
zusammen, nippten Whisky und aßen Wildbret von einem Hirsch, der an diesem Tag erlegt worden war.
»Was wird Sarapen jetzt unternehmen?«, überlegte Rainal. »Nachdem Markus Mirasen umgebracht hat?«
»Er wird natürlich versuchen, Markus zu töten. Sarapen sieht das sicher als gerechtfertigte Rache, und nach den Clantraditionen könnte er sogar recht haben.«
»Nicht, wenn er zuerst zu Gewalt gegriffen und Talixia getötet hat.«
»Stimmt. Aber das können wir nicht beweisen.« Verasa hatte weitere Werwölfe von ihren Ländereien nach London geschickt, damit sie bei Markus blieben.
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»Nur noch zwei Wochen bis zur nächsten Sitzung des Großen Rats«, sagte Rainal. »Sie wird sicher interessant.«
»Wahrscheinlich zu interessant. Ich überlege, sie zu verschieben.«
Rainal protestierte. »Die Sitzung kann nicht verschoben werden.«
»Ich bin das stellvertretende Oberhaupt des Clans. Unter außergewöhnlichen Umständen kann das Oberhaupt des Clans die Sitzung verschieben. Das hat es schon gegeben.«
»Nur in Kriegszeiten.«
»Wir befinden uns im Krieg.«
Rainal gefiel das nicht, aber Verasa ließ sich nicht beirren.
»Ich brauche mehr Zeit. Dominil braucht mehr Zeit. Und ich will nicht riskieren, dass Lucia anders abstimmt. Es ist viel besser, wenn sie ihre Wut über den Angriff auf Decembrius vergessen kann.«
II7
Kalix stapfte durch den Regen nach Hause. Weil sie kein Geld besaß, hatte sie den langen Weg von Camden nach Kennington, quer durch die Stadt und über den Fluss, zu Fuß vor sich. Sie überlegte, ob sie versuchen sollte, ohne Ticket mit der U-Bahn zu fahren, entschied sich aber dagegen. Sie hatte keine Lust, vor einem Kontrolleur zu flüchten.
Kalix hatte nach dem Kampf ein leichtes Hochgefühl verspürt, aber das war jetzt abgeklungen, und sie fühlte sich deprimiert. Nach der Begegnung mit Beauty, Delicious und Dominil kam sie sich unzulänglich vor. Sie freute sich auch nicht auf zu Hause. Die junge Werwölfin hatte sich eingeredet, Moonglow würde sie hassen, weil sie auf Jay gelandet war. Wahrscheinlich würde man sie 252
aus dem Haus werfen. Wären da nicht ihr Tagebuch und ihr Walkman, würde sie gar nicht zurückgehen. Sie verwünschte Moonglow, weil sie so unvernünftig war, und sich selbst, weil sie sich mit Menschen eingelassen hatte. Allerdings schien sie mit Werwölfen nicht viel besser auszukommen. Dominil hatte kaum ein Wort mit ihr gesprochen, und die Zwillinge hielten sie offenbar für eine Idiotin.
Kalix versuchte sich mit dem Gedanken aufzumuntern, dass sie vielleicht nie wieder etwas essen würde. Eine Weile lang funktionierte es, aber als sie den Fluss erreichte, verwandelte sich ihre deprimierte Stimmung in Panik, und sie wünschte, sie hätte ihr Laudanum dabei. Kalix stapfte weiter durch den Regen.
Als sie endlich in Kennington ankam, holte sie ihren glänzenden neuen Schlüssel hervor, den Daniel für sie hatte machen lassen, und schloss die Tür so leise wie möglich auf. Moonglow war nicht zu Hause. Daniel lümmelte auf dem Sofa vor dem Fernseher herum.
»Kalix. Bin ich froh, dass du zu Hause bist.«
Das überraschte Kalix.
»Wirklich?«
»Natürlich. Ich hatte einen schrecklichen Tag.«
»Will Moonglow mich rauswerfen?«, fragte Kalix.
»Was?« Daniel lachte. »Natürlich nicht. So sauer war sie nicht. Moonglow kann sowieso nie lange böse bleiben. Sie ist zu Jay gegangen, um sich einen netteren Abend zu machen; das muntert sie bestimmt auf.«
»Oh.«
»Trockne dir lieber die Haare«, sagte Daniel.
Kalix ging hinauf in ihr Zimmer und trank einen Schluck Laudanum. Weil Daniel es vorgeschlagen hatte, trocknete sie sich das Haar mit einem Handtuch, bevor sie wieder nach unten ging.
»Will Moonglow auch bestimmt nicht, dass ich gehe?«, fragte sie.
Daniel hätte fast wieder gelacht, aber als er merkte, dass Kalix sich wirklich Sorgen machte, beruhigte er sie sofort.
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»Das war doch halb so wild. Moonglow mag dich.« »Echt?«
»Natürlich. Wie kommst du darauf, es könnte anders sein?«
»Weil mich keiner mag.«
»Wir mögen dich sehr.«
Es fiel Kalix schwer, das zu glauben.
»Warum?«
Daniel zuckte mit den Schultern.
»Wie sollte man denn eine so fidele junge Werwölfin nicht mögen?«
Das Wort fidel war so unerwartet und unpassend, dass Kalix lachen musste. Sie wollte Daniel sagen, dass sie ihn auch mochte, aber das wäre ihr plump vorgekommen.
»War es denn im College schön?«, war alles, was sie herausbrachte.
Daniel zog ein
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