Kalix - Die Werwölfin von London
gab es bei den Menschen heutzutage nicht mehr. Malveria hatte Thrix mehrere Gemälde solcher Kleider gebracht; es waren extravagante Roben aus Spitze, Tüll, Seide und Satin, mit großen Reifröcken und rüschenbesetzten Miedern, geschaffen für einen Ballsaal irgendwo zwischen dem England des frühen neunzehnten Jahrhunderts, Vom Winde verweht und dem Reich der Feen. Thrix hatte sich der Herausforderung gestellt, für Malveria etwas Besonderes zu kreieren. Leider lief ihr jetzt die Zeit davon.
Thrix stand auf. Sie musste sich zuversichtlich geben. Zuversichtlicher, als ihr tatsächlich zumute war, so, wie sie es häufig tun musste.
»Malveria, dein Kleid wird rechtzeitig fertig sein, und es wird fantastisch aussehen. Vertraue mir, ich bin deine Designerin.«
Malveria war beruhigt. Immerhin hatte Thrix sie noch nie enttäuscht.
»Warst du nicht mit...?«, fragte Malveria beiläufig. »Nicht, dass es mich etwas anginge .. «
»Nein, Malveria. Ich war nicht mit Gawain zusammen. Ich habe Schluss gemacht.«
Das stimmte nicht, aber die Zauberin hatte sich so sorgfältig von seiner Aura gereinigt, dass nicht einmal Malveria sie noch entdecken konnte. Einige der Sachen für den nächtlichen Samba-Karneval lagen fertig im Nebenzimmer.
Weil sie wusste, dass es
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Malveria aufmuntern und sie von ihrem Ballkleid ablenken würde, schlug Thrix vor, die Stücke zu Moonglow zu bringen, bevor Zatek sie hier noch ausspähte.
»Du kannst sie auf dem Dachboden anprobieren. Und die Schuhe für den Mittagsspaziergang am dritten Tag sind aus Italien eingetroffen.«
»Die pinkfarbenen hochhackigen Sandalen? Ich zittere schon vor Aufregung«, sagte Malveria. »Lass uns schnell zum Haus der jungen Menschen gehen.«
Weil sie nur wenige Kleidungsstücke zu tragen hatten, konnte Malveria sie dorthin teleportieren. Voller Begeisterung machte sie sich auf den Weg, aber als sie auf dem Dachboden Gestalt annahmen, zuckte die Feuerkönigin zusammen.
»Was ist los?«, fragte Thrix.
»Dieses Haus. Hier hat sich eine ungeheure Traurigkeit ausgebreitet. Was ist nur mit den jungen Menschen passiert?«
»Vielleicht hat die junge Werwölfin sie gefressen«, vermutete Thrix.
»Wo sind die neuen Schuhe?«
»Hier«, sagte die Zauberin und öffnete einen Karton, während Malveria ihr ungeduldig zusah.
»Sie sind verschwunden!«, rief Thrix.
Sofort befürchteten sie das Schlimmste. Kein Wunder, dass in diesem Haus eine so verhängnisvolle Aura herrschte. Prinzessin Kabachetka hatte ihr Versteck entdeckt, die Kleider gestohlen und dabei wahrscheinlich Daniel und Moonglow getötet.
»Sicher liegen unten ihre blutüberströmten Leichen!«, rief Malveria. »Wenn wir uns beeilen, können wir vielleicht noch die Schuhe retten!«
Die Feuerkönigin eilte die Treppe hinunter und platzte in das Wohnzimmer, bereit zum Kampf gegen die Prinzessin. Die Prinzessin war nicht dort. Auch nicht Daniel, Moonglow oder Kalix. Vor dem Fernseher, in einer Hand eine Dose Bier, in der anderen
57°
eine Tüte Chips, saß Vex. Wie gebannt sah sie sich Hinterm Mond gleich links an. Sie trug einen zerschlissenen, braunen Pilotenanzug, der so mitgenommen aussah, als wäre sein ursprünglicher Besitzer bei einem Flugzeugabsturz umgekommen. An den Füßen hatte sie die neuen hochhackigen Sandalen in zartem Pink mit zierlichen Riemchen um die Knöchel.
»Aaaahhhh!«, brüllte die Feuerkönigin. »Du hast meine neuen Schuhe gestohlen! Habe ich dir nicht mit schrecklichen Konsequenzen gedroht? Thrix, hol mir ein Messer! Ich werde dieses Mädchen auf der Stelle opfern!«
Vex schaute sich um.
»Hallo, Tante Malvie«, strahlte sie. »Ahm . . stimmt was nicht?«
»Du niederträchtige Schuhdiebin, ich bringe dich um, hier und jetzt, du abscheuliche, gemeine, widerwärtige, grässliche -« Malveria stockte. »Was trägst du da für ein grauenhaftes braunes Ding?«, fragte sie.
»Einen Pilotenanzug.«
»Warum trägst du so ein abstoßendes Kleidungsstück?« Vex zuckte mit den Schultern. »Mir gefällt's.«
Alarmiert durch den Schrei kam Daniel ins Zimmer. »Was ist los?«
»Ich werde jetzt Agrivex opfern, weil sie meine Schuhe gestohlen hat. Hol mir sofort ein Messer.«
»Du bist viel zu streng«, protestierte Vex. »Ich habe gar nichts gemacht.«
»Was soll das heißen, du hast gar nichts gemacht, du schwachsinniges Kind?
Du trägst die Schuhe sogar noch!«
Vex blickte hinunter auf ihre Füße.
»Meine Stiefel gefallen mir besser«, sagte sie.
Malveria brüllte
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