Kalix - Die Werwölfin von London
weitere Verfolger zu achten, dann zog er sich in eine Gasse zurück, wo er sich auf eine Holzkiste setzte, den Kopf in die Hände stützte und seufzte.
174
Eine Woche nach Vollmond kehrte Markus zurück nach Burg MacRinnalch. Die Herrin der Werwölfe war deswegen überglücklich. Indem er in die Burg zurückkehrte, während die Barone einen Angriff vorbereiteten, erwies Markus sich eines MacRinnalchs als würdig. Alle Geschichten, Markus würde sich in London verstecken, waren falsch. Er trug einen altmodischen Umhang mit Pelzbesatz, das passende Kleidungsstück für den Hauptmann der Burgwache, und als er damit über die Burgmauern ging, schien er wie geschaffen dafür. Die Verteidiger der Burg schöpften neuen Mut. Markus war zurück, und niemand konnte sagen, er würde seinen Pflichten nicht nachkommen.
376
Die Barone waren noch nicht aufmarschiert. Die MacPhees und MacAllisters standen bereit, aber Baron MacGregor hatte noch nichts verlauten lassen. Im Westen warteten die MacAndrises ungeduldig darauf loszuschlagen. Ihr Anführer Red Ruraich MacAn-dris hatte auf Verasas Forderung, ihr seine Loyalität zu bekunden, frostig reagiert. Die MacAndrises stehen hinter Sarapen, lautete seine Antwort. Die Herrin der Werwölfe war wütend. Schlimm genug, wenn ein Baron abtrünnig wurde, aber so etwas war wenigstens schon früher vorgekommen. Es war nichts allzu Unerhörtes, wenn gelegentlich ein Baron den Aufstand probte. Bei den MacAndrises lag die Sache anders. Als kleiner Clan unter dem Schutz des Fürsten besaßen sie nicht das Recht, sich einem anderen als dem Oberhaupt des Clans gegenüber loyal zu erklären.
Verasa gesellte sich zu Markus und Rainal auf die östliche Burgmauer. Es freute sie, wie gut Markus aussah. Stark und ausgesprochen attraktiv in seinem Kriegerumhang. Er würde einen guten Fürsten abgeben.
!75
Kalix lag zusammengerollt in ihrem Zimmer unter ihrer Decke. Nach dem Kampf im Park war sie schwach, aber sie wollte sich nicht in eine Werwölfin verwandeln, weil sie dann essen würde. Kalix hatte beschlossen, nie wieder zu essen. Gawains neue Geliebte war der endgültige Beweis dafür, dass Kalix nichts wert war und nicht verdiente zu leben. Ihr linker Arm war übersät mit frischen Schnitten. Sie trank schlückchenweise Laudanum und glitt immer wieder in Albträume ab.
Moonglow lag auf ihrem eigenen Bett und war immer noch am Boden zerstört, weil Markus sie zurückgewiesen hatte. Zwei Tage 376
lang hatte sie geweint und nicht einmal in die Uni gehen können. Sie ließ durchgehend Kate Bush laufen, aber obwohl ihr das früher durch emotionale Notlagen geholfen hatte, brachte es ihr jetzt wenig Trost. Ihre Trauer wegen Markus ging sogar über Kate Bush hinaus. Sie konnte einfach nicht glauben, dass jemand, in den sie so verliebt war, sie so einfach beiseiteschieben konnte.
Daniel lag in seinem Zimmer, das sich zwischen denen von Kalix und Moonglow befand, und starrte niedergeschlagen an die Decke. Moonglows tiefe Traurigkeit hatte ihn in ein noch tieferes Elend gestürzt. Zuerst hatte er versucht, es positiv zu sehen. »Wenn Moonglow wegen Markus so unglücklich ist, wendet sie sich vielleicht mir zu.« Aber an dieser Idee hatte er nicht lange festhalten können.
Daniel hatte getan, was er konnte, um Moonglow und Kalix zu trösten. Seine Bemühungen waren vollkommen umsonst gewesen. Beide schienen untröstlich.
»Ich wohne im unglücklichsten Haus Londons«, dachte Daniel. »Vielleicht sogar der Welt.« Daniel lag ebenfalls unter seiner Decke, allerdings suchte er keinen Trost, sondern Wärme. Wegen der schwachen Heizung war es in allen Schlafzimmern im Haus kalt. Richtig warm war es nur im Wohnzimmer mit seinem Kaminofen, aber dorthin ging niemand. Die Gefahr war zu groß, dort auf einen Mitbewohner zu stoßen und sein Elend mit ansehen zu müssen.
Weil Daniel die Stille zu bedrückend fand, krabbelte er aus seinem Bett zum Computer und ging auf die Seite doom-metal.com. Ohne Frage die einzig passende Musik für eine solche Zeit. Er sah die Playlist des Radiosenders durch.
Dort waren verschiedene Genres aufgeführt: Traditional Doom, Atmospheric Doom, Gothic Doom, Metal Doom, Progressive Doom, Death Doom, Suici-dal Doom, Funeral Doom und weitere. Eine breite Auswahl. Daniel kannte die feinen Unterschiede zwischen den Genres. Er hätte sogar zu jeder Kategorie eine passende Band nennen können, wenn ihn jemand danach gefragt hätte, aber das passierte nie. Er stellte
377
die Musik an
Weitere Kostenlose Bücher