Kalix - Die Werwölfin von London
zündete eine an.
»Vielleicht solltet ihr den Auftritt absagen«, sagte er.
»Warum?«
»Ihr seid dort nicht sicher.«
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»Bist du etwa um unsere Sicherheit besorgt?« Decembrius zuckte mit den Schultern.
»Es gibt keinen Grund für einen Kampf. Sarapen ist ohnehin bald Fürst, egal, was in London geschieht.«
»Wenn Sarapen zu dem Gig kommt, bringe ich ihn um!«, platzte es so laut aus Kalix heraus, dass die Leute am Nachbartisch neugierig herübersahen.
»Oder er bringt dich um«, sagte Decembrius und sah sie lange an. Kalix starrte wütend zurück. Sie hatte seine spöttischen Worte während ihres Treffens mit Gawain nicht vergessen. Wenn er noch so eine höhnische Bemerkung machte, würde sie sich auf ihn stürzen. Allerdings schien Decembrius nicht hier zu sein, um sich über sie lustig zu machen. Sie wusste nicht, warum er hier war. Er drückte seine Zigarette im Aschenbecher aus und stand geschmeidig auf.
»Du solltest lieber nicht zu dem Auftritt gehen«, sagte er zu Kalix. »Es ist nicht sicher.«
Damit ging er und ließ Kalix verwirrt zurück.
»Warum ist er hergekommen?«, überlegte sie.
»Du hast so schlecht auf dich geachtet, dass deine Werwolfsinne abgestumpft sind«, antwortete Dominil.
»Was meinst du damit?«
»Ich meine, dass Decembrius offenbar nicht will, dass du getötet wirst. Merkst du nicht, dass er sich zu dir hingezogen fühlt?«
Kalix war perplex. Es erstaunte sie immer, dass jemand sie attraktiv finden konnte.
»Ich glaube, du irrst dich«, sagte sie zaghaft.
Dominil lächelte fast.
»Ich irre mich nicht. Meinen Glückwunsch. Du hast eine Eroberung gemacht.«
Weil ihr nicht gefiel, wie strähnig ihr Haar vom Regen war, ging Dominil es bürsten, bevor sie weiter Flyer verteilten. Kalix wartete, verblüfft und gar nicht angetan davon, dass Decembrius sie attraktiv fand.
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Moonglow schleppte sich in die Uni. Zum ersten Mal in ihrem Leben hinkte sie mit ihrer Arbeit hinterher. Noch vor zwei Wochen hätte sie sich das nie vorstellen können. Jetzt war sie in ihrem tiefen Kummer wegen Markus kaum in der Lage zu lernen. Der eiskalte Regen und der Graupel, die auf dem Weg zum College auf sie einprasselten, reichten fast, um sie wieder nach Hause zu treiben, und sie musste ihre ganzen Kraftreserven mobilisieren, um nur das Gebäude zu erreichen.
Moonglows Leben schien immer schlimmer zu werden. Der Schmerz wegen Markus hatte nicht nachgelassen, und jetzt hasste Jay sie auch noch. Er war schließlich zu ihrer Wohnung gekommen und hatte wissen wollen, warum Moonglow ihn nie anrief. Moonglow hatte Jay die Wahrheit gesagt. Sie war nicht in der Lage, überzeugend zu lügen. Außerdem wollte Moonglow auch nicht lügen. Sie versuchte, ihm zu sagen, dass es ihr leidtat, aber Jay war zu wütend, um ihr zuzuhören. Er brüllte sie an und beschimpfte sie mit Ausdrücken, die Moonglow von ihrem früher so sanften Freund nicht erwartet hätte. Dann marschierte er zornig aus ihrem Leben davon.
In Sumerischer Geschichte bemerkte der Professor, wie unkonzentriert sie war.
Weil er dachte, er solle Moonglow anspornen, stellte er ihr eine einfache Frage über die Stadt Ninive. Moonglow antwortete nicht. Stattdessen packte sie ihre Tasche und lief weinend hinaus. Der Professor stand verlegen da, während seine anderen Studenten ihn vorwurfsvoll ansahen, als wäre er schuld, weil er Moonglow schikaniert hatte.
In der Cafeteria war es still. Moonglow setzte sich auf einen Stuhl am Fenster mit Blick auf die Themse und versuchte, sich zu beruhigen. Andere Leute konnten unglückliche Beziehungen verkraften. Dann sollte ihr das auch gelingen. Moonglow versuch
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te, es sich leichter zu machen und Markus zu hassen, aber es war sinnlos. Sie konnte ihn nicht hassen. Sie musste immer wieder daran denken, wie fabelhaft er gewesen war, als sie durch das Kunstmuseum spaziert waren, und auch später, als er sie nach Hause mitgenommen hatte.
»Ja, es ist sehr traurig«, sagte eine Stimme, die Moonglow nicht erkannte. Sie blickte auf. Vor ihr stand eine bildschöne Frau, nur wenig älter als sie selbst, vielleicht einundzwanzig Jahre alt. Sie hatte wunderbare blonde Haare und eindrucksvolle dunkelgrüne Augen.
»Was?«, grummelte Moonglow.
»Es ist sehr traurig, so ausrangiert zu werden«, sagte die elegante Frau. Sie sprach mit einem ausgefallenen Akzent, den Moonglow noch nie gehört hatte.
»Was meinst du damit?«
»Von einem Geliebten verlassen zu werden. Es ist die größte Tragödie
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