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Kalix - Die Werwölfin von London

Kalix - Die Werwölfin von London

Titel: Kalix - Die Werwölfin von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Millar
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von Tibull, aber auch die langweilte sie. Seit sie nach London gekommen war, hatte Dominil sich nicht mehr gelangweilt. Jetzt, als ihre Arbeit beinahe getan war, schlich sich dieses Gefühl wieder an.
    Morgen würde es natürlich nicht langweilig werden. Yum Yum Sugary Snacks würden auf der Bühne stehen, und Sarapen würde in Camden sein. Dominil kam der Gedanke, dass sie sterben könnte. Die Aussicht machte ihr keine Angst, aber sie stimmte sie unzufrieden. Wenn sie bald sterben würde, wollte sie nicht ihre letzte Nacht auf Erden damit verbringen, lautstarken Diskussionen von Beauty und Delicious über die richtige Sonnenbrille für die Bühne zuzuhören. Sie suchte nach einer Aufgabe. Der Kleinbus, um die Musiker zum Club zu fahren, war bestellt. Der Sampler war mit neuer Software nachgerüstet. Alle Instrumente und das Equipment waren überprüft. Sie hatte die Setlist und die Gästeliste festgelegt. Es gab nichts mehr zu tun und keine Anweisungen mehr zu erteilen.
    Dominil zog ihren langen, schwarzen Ledermantel an. Sie begutachtete ihre Haare im Spiegel, strich sie sich über den Schultern glatt, dann ging sie leise hinaus. Draußen schneite es, und die Straßen waren bis auf ein paar unbeirrbare Bettler neben der U-Bahn-Haltestelle verlassen. Ohne einen Blick ging Dominil vorbei. Sie überquerte die Camden High Street und ging weiter die Straße hinauf.
    Pete, der Gitarrist von Yum Yum Sugary Snacks, war überrascht, als er in den frühen Morgenstunden Dominil vor seiner Tür fand.
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    »Was gibt's?«
    »Nichts«, sagte Dominil.
    Auf ihren Schultern lag Schnee, ein paar Flocken hafteten an ihrer Stirn, ohne zu schmelzen. Mit ihrer strahlend weißen Haarmähne sah sie aus wie eine mystische Schneekönigin, die einer Legende entsprungen war und London mit einer neuen Eiszeit überzog. Der Anblick brachte Pete etwas aus der Fassung, und noch unbehaglicher wurde ihm unter dem eindringlichen Blick ihrer schwarzen Augen.
    »Bist du allein?«, fragte Dominil.
    »Ja. Aber ich wollte gerade schlafen gehen . . du weißt ja ... der Gig morgen.«
    Unaufgefordert betrat Dominil das Haus. Sie legte ihm eine Hand an den Hinterkopf und zog ihn bis auf ein paar Fingerbreit an sich heran.
    »Bei den Zwillingen habe ich mich gelangweilt«, sagte sie.
    Dominil zog Pete noch näher, bis ihre Lippen sich beinahe trafen. Ihre Berührung war noch eiskalt vom Schnee.
    »Deshalb möchte ich diese Nacht hier mit dir verbringen«, fuhr Dominil fort.
    »Morgen wirst du niemandem davon erzählen. Hast du verstanden?«
    Pete bejahte das.

    »Sehr schön«, sagte Dominil. »Dann machen wir weiter. Ich hoffe, dein Schlafzimmer ist nicht in einem ebenso bedauernswerten Zustand wie deine restliche Wohnung.«
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20I
    Im Gegensatz zu den anderen MacRinnalchs war Markus kein großer Whiskytrinker. Er saß allein in seinen Gemächern, nippte Wasser, das aus dem Brunnen der Burg stammte, und grübelte darüber nach, dass Verasa seinen Plan zum Angriff auf die Barone abgelehnt hatte. Er hatte allmählich das Gefühl, Verasa würde ihm zu wenig zutrauen. Jeden seiner Vorschläge hatte sie zurückgewiesen. Mittlerweile fragte er sich, was man wohl hinter seinem Rü-
    cken über ihn sagte. Tuschelte man vielleicht, er würde vollkommen unter ihrer Fuchtel stehen? Bei dem Gedanken sträubte sich alles an ihm.
    Markus trug die pfirsichfarbene Bluse, in der er einst Moonglow bezaubert hatte. Hier in der Burg achtete er streng darauf, seine Neigung zu Frauenkleidung in Grenzen zu halten. Sogar ein Kleidungsstück wie diese Bluse, das die Grenzen des Normalen nicht allzu weit überschritt, trug er nur in seinen eigenen Gemächern.
    Er klopfte mit dem Fuß auf den dunklen Steinfußboden. In der Burg gefangen zu sein verstimmte ihn genauso wie den Rest der MacRinnalchs. Er zog die Bluse aus, ersetzte sie durch ein schwarzes Hemd und warf sich seinen pelzbesetzten Umhang über die Schultern, bevor er in den Burghof hinausging.
    Von dort aus stieg er die Mauern hinauf, um die wachhabenden Werwölfe zu begrüßen. Obwohl sie respektvoll zurückgrüßten, wurde Markus unwillkürlich misstrauisch. Respektierten diese Werwölfe ihn wirklich? Oder wünschten sie alle vielleicht, Eskandor wäre noch Hauptmann der Wache?
    Im Innenhof herrschte reges Treiben, weil die Bewohner der Burg der Enge ihrer Quartiere entfliehen wollten. Markus warf einen Blick nach unten. In einer dunklen Nische an einer der Treppen entdeckte er zwei Werwölfe im Schatten. Sie

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