Kalix - Die Werwölfin von London
der lästigen Moonglow zu erklären.
»Sollen wir dir irgendwas Bestimmtes besorgen? Vielleicht Fleisch? Wir können natürlich auch Pizza bestellen, aber ich dachte, du willst vielleicht ein paar Steaks essen. Ich bin Vegetarierin, von Fleisch habe ich keine Ahnung. Soll ich zum Metzger gehen?«
»Sei still«, wiederholte Kalix, die allmählich verzweifelte.
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Moonglow lächelte.
»Ich besorge dir ein Stück Rindfleisch. Ist es nicht schön, Freunde zu haben?«
»Nein«, antwortete Kalix.
»Ach, natürlich. Jeder braucht Freunde. Werwölfe sind da bestimmt nicht anders. In der Grundschule haben mich alle seltsam gefunden, aber als ich später in Gothic-Clubs gegangen bin, habe ich eine Menge Freunde gefunden.
Warst du schon mal in einem Gothic-Club? Nein? Hätte ja sein können, wo du doch eine Werwölfin bist. Du wärst da sicher sehr beliebt.«
Kalix sah Moonglow voller Verzweiflung an.
»Warum kannst du nicht endlich still sein?«
»Weil ich will, dass du lebst.«
»Ich will gar nicht leben«, sagte Kalix.
»Das meinst du jetzt«, entgegnete Moonglow. »Aber wer weiß, wie du das in ein paar Tagen siehst? Möchtest du etwas Suppe haben?«
»Nein«, antwortete Kalix und drehte das Gesicht wieder zum Feuer.
»Daniel kommt bestimmt bald nach Hause«, erzählte Moonglow. »Er ist zu einer Vorlesung gegangen. Wir haben den gleichen Kurs belegt. Du wirst Daniel mögen.«
»Nein, werde ich nicht.«
»Doch, bestimmt. Jeder mag Daniel, er ist echt ein guter Freund. Ich glaube, ich bitte lieber ihn, zum Metzger zu gehen; er hat mehr Ahnung von Fleisch als ich.
Er isst nämlich manchmal auch Burger.«
Kalix zog sich die Decke über den Kopf und wünschte, sie wäre tot. Moonglows pausenloses Geplapper war unerträglich. Sie sehnte sich danach, sich mit Laudanum zu betäuben, aber sie hatte nur noch sehr wenig übrig und wollte es nicht ganz aufbrauchen, solange sie zu schwach war, um den jungen MacDoig aufzusuchen.
»Magst du eigentlich alle Hiyastas nicht?«
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Die Frage überraschte Kalix. Das Wort Hiyasta hatte sie noch nie von einem Menschen gehört. Sie drehte den Kopf halb herum.
»Was?«
»Malveria hat gesagt, dass Hiyastas und Werwölfe nie befreundet sind.«
»Stimmt«, murmelte Kalix. »Dumme Hiyastas.« »Was ist denn mit ihnen?«
»Sie sind dumm«, wiederholte Kalix, deren Vokabular für treffendere Beleidigungen nicht ausreichte.
»Die Feuerkönigin hat dir das Leben gerettet«, erinnerte Moonglow sie.
»Das zeigt nur, wie dumm sie ist«, antwortete Kalix und versteckte sich unter der Decke.
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Erschöpft kam Daniel nach Hause.
»Ich bin richtig geschockt«, berichtete er. »Ich wusste gar nicht, wie schwierig studieren ist, wenn du mir nicht immer alles erklärst.«
»Hast du mitgeschrieben?«
»Sogar ausführlich. Scheinbar war Timon in Athen nicht besonders glücklich.
Du kannst mir bestimmt erklären, warum. Wie geht es unserer Werwölfin?«
»Sie schläft. Ich habe sie genervt.«
»Wie bitte?«
»Sie hat einfach nur dagelegen und wollte weder essen noch irgendwas tun, damit es ihr besser geht. Ich dachte, wenn ich lange genug mit ihr rede, reagiert sie vielleicht irgendwie. Du weißt schon, um sie aufzumuntern.«
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»Oder sie so sauer zu machen, dass sie uns angreift«, gab Daniel zu bedenken.
»Weißt du, Moonglow, ich glaube, du gehst diese ganze Werwolfsache viel zu entspannt an. Erst willst du sie unbedingt bei uns wohnen lassen, und jetzt musst du eine Werwölfin auch noch absichtlich nerven. So was ist gefährlich.«
Beide sahen zu Kalix hinüber, die vor dem Kaminofen schlief.
»Sie sieht schon irgendwie mitleiderregend aus«, gab Daniel zu. »Na gut, wenn du meinst, es hilft, nerv sie ruhig noch ein bisschen.«
Moonglow kochte für sie beide Tee und steckte Brot in den Toaster.
»Alicia hat heute in der Vorlesung in meiner Nähe gesessen«, sagte Daniel. »Ich wollte sie ansprechen, aber dann habe ich mich nicht getraut.«
Moonglow war sehr verständnisvoll. Sie wusste, wie schüchtern Daniel gegenüber Mädchen war. Soweit sie konnte, hatte sie ihm gut zugeredet, aber bislang ohne Erfolg.
»Du hättest ruhig mit ihr reden sollen. Alicia ist wirklich nett, und sie hat gerade mit ihrem Freund Schluss gemacht. Das wäre der ideale Zeitpunkt.«
»Könntest du nicht für mich das Eis brechen?«
»Ich habe euch doch schon bekannt gemacht.«
»Und wenn sie mich vergessen hat?«
»Wir sind in der Uni«, sagte Moonglow. »Es ist völlig in Ordnung,
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