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Kalix - Die Werwölfin von London

Kalix - Die Werwölfin von London

Titel: Kalix - Die Werwölfin von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Millar
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Fenster. Ihre Wohnung lag über einem Laden, und der Hinterhof bestand aus einem kleinen, ungenutzten Betonplatz eine Etage tiefer. Dort unten in der Abenddämmerung schien eine Werwölfin mit etwas zu spielen. Vielleicht mit einem Tennisball.
    Moonglow versuchte, das Fenster zu öffnen. Es klemmte, weil ein Vormieter einen Teil des Rahmens übermalt hatte. Mit einiger Mühe bekam sie es schließlich auf.
    »Kalix?«
    Die Werwölfin blickte auf.
    »Hallo«, sagte Kalix. Dann spielte sie weiter mit ihrem Tennisball, als wäre es für sie das Natürlichste der Welt, in Moonglows Hinterhof zu sein.
    »Wolltest du uns besuchen?«, fragte Moonglow.
    »Nein.«
    »Warum bist du dann hier?«
    Kalix zuckte mit den Schultern. Natürlich war sie hier, um Daniel und Moonglow zu besuchen, aber das würde sie nicht zugeben, auch wenn sie dann an dem absurden Schwindel festhalten musste, sie wäre ganz zufällig in diesem Hinterhof gelandet.
    »Ich bin nur so durch die Gegend gelaufen.«
    Kalix wollte nicht zugeben, dass sie extra zurückgekommen war, um sie zu sehen, das konnte Moonglow spüren. Sie lächelte.
    »Möchtest du trotzdem raufkommen? Wir würden uns freuen.«
    Kalix tat so, als müsste sie erst überlegen.
    »Na gut«, sagte sie schließlich. Moonglow hatte erwartet, dass Kalix über den Zaun auf die Straße klettern und an der Vordertür 140

    klingeln würde, stattdessen stieg Kalix einfach auf den Zaun, sprang zum Küchenfenster herüber, hielt sich am Sims fest und zog sich durch das Fenster.
    Das war eine beeindruckende sportliche Leistung. Als Kalix in der Küche stand, versuchte sie, eine möglichst zurückhaltende Miene zu machen, aber das war als Werwölfin nicht einfach.
    »Schön, dich wiederzusehen«, sagte Moonglow, deren Ärger verraucht war.
    »Finde ich auch«, sagte Daniel. »Wie war's mit einem Tee?«
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    Moonglow erwartete von Kalix keine Entschuldigung dafür, sie geschlagen zu haben, und das war ganz gut so. Kalix erwähnte den Vorfall nicht. Die Werwölfin tat immer noch so, als wäre sie nur durch Zufall in Moonglows Hinterhof gelandet. Sie stand verlegen in der Küche, aber als sie merkte, dass Moonglow weder mit ihr schimpfen noch eine Entschuldigung verlangen würde, entspannte sie sich allmählich.
    »Ich habe Boote gesehen«, sagte sie unerwartet.
    »Boote?«
    »Ja, auf dem Fluss.«
    Kalix erzählte ihnen von ihrem Tag am Fluss, ihre Begegnung mit den Jägern erwähnte sie allerdings nicht.
    »Warum ist im Fluss mal mehr und mal weniger Wasser?«, fragte Kalix.
    »Das liegt an den Gezeiten«, sagte Daniel und erklärte ihr, dass der Wasserspiegel der Themse mit Ebbe und Flut sank oder stieg. Moonglow fand es seltsam, dass Kalix offenbar nur eine grobe Ahnung von den Gezeiten hatte.
    Die Gezeiten hingen mit dem
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    Mond zusammen, und sie hätte angenommen, jeder Werwolf wüsste alles über den Mond und seine Auswirkungen. Aber wie sich bald zeigte, war Kalix die Welt, in der sie lebte, nicht sehr vertraut. Die junge Werwölfin hatte von vielen Dingen keine Ahnung. Sie wusste nicht, wer der Premierminister war oder was Atomkraft bedeutete. In Mathematik war sie nicht über die Grundrechenarten hinausgekommen, und ihr Verständnis von Geschichte war so wackelig, dass sie glaubte, beinahe jeder, von dem sie je gehört hatte, würde noch leben. Von Shakespeare dachte sie zum Beispiel, er würde noch Drehbücher schreiben, weil sie sich einmal ins Kino zu Romeo und Julia geschlichen hatte.
    Die jungen Werwölfe des MacRinnalch-Clans wurden während der ersten Jahre zu Hause unterrichtet, aber vor etwa hundert Jahren hatte Verasa den Brauch eingeführt, sie auf normale Schulen zu schicken, um ihre Ausbildung abzuschließen. Die Herrin der Werwölfe fand, sie könnten so besser die gesellschaftlichen Gepflogenheiten kennenlernen. Sobald die Familie darauf vertraute, dass ihre jungen Werwölfe verantwortungsvoll genug waren, um ihr wahres Wesen nicht zu verraten, wurden sie in der Schule angemeldet. Bei Kalix war es nie so weit gekommen.

    »Ich bin nie zur Schule gegangen«, gestand sie. »Sie haben gesagt, ich würde die Lehrer beißen. Ich sollte von einem Privatlehrer in der Burg Unterricht bekommen, aber ich mochte ihn nicht, also bin ich nie hingegangen. Aber das ist egal, ich habe alles gelernt, was ich brauche. Gawain hat mir beigebracht, wie man kämpft.«
    Moonglow warf einen Blick auf den Umschlag von Kalix' Tagebuch, das aus ihrer zerschlissenen Tasche ragte.
    kalix dagebuch gheim,

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