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Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit

Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit

Titel: Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Feuerland
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anderen Männer, die durch die tägliche Jagd ständig in Bewegung und daher von kräftiger Statur waren. Obgleich schon betagt, hielt er sich kerzengerade, nur wenn er müde wurde, sanken seine Schultern nach vorne. Sein heller Bart und sein Haar reichten ihm bis zum Gürtel, und die Hände, die aus dem Hirschledergewand ragten, waren schmal und knochig. Das Aufregendste an ihm waren jedoch die Augen. Das eine strahlte in der Farbe des Himmels, das andere hatte die Farbe der Erde. Wegen dieser Besonderheit war Loas schon bei seiner Geburt als Auserwählter erkannt worden.
    »Ein Erdenauge und ein Himmelsauge«, hatte der damalige Seher gestaunt, als er das Neugeborene im Clan willkommen hieß. »Das ist ein Zeichen der Geister und will uns sagen, dass dieser Mann die Kräfte der Erde mit den Kräften des Himmels zu binden weiß. Sein Name soll Loas sein, das bedeutet der Auserwählte. Sobald er alt genug ist, soll er bei mir leben, und wenn ich ihn in alle Geheimnisse eingeweiht habe, wird er ein besserer Seher sein, als ich es je war.« Dann hatte er feierlich einen Bärenzahn aus seiner Kette gelöst und ihn dem Kind auf die Brust gelegt. Seither trug Loas den Namen »Loas vom Löwenclan, Schutzbefohlener des Großen Bärengeistes, der von den Geistern Erwählte, der die Himmelskräfte mit den Erdenkräften zu binden weiß«.
    Und wie es der Seher prophezeit hatte, war es gekommen. Loas war Seher des Clans geworden, und unter seiner geistigen Führung war der Löwenclan gewachsen und größer und stärker geworden denn je. Eines Tageshatte Loas dann den kleinen Skert zu seinem Nachfolger erwählt und zu sich in den Felsen geholt. Skert wuchs zu einem ernsthaften jungen Mann heran, der ein würdiger Nachfolger von Loas zu werden versprach. Doch dann, im vergangenen Sommer, war etwas Unerwartetes geschehen, das den Clan in Bedrängnis brachte.
    Der Löwenclan war, wie fast in jedem Frühsommer, den Rentieren folgend zum Blauen See gewandert. Dort waren sie den Leuten vom Falkenclan begegnet und hatten viele Tage mit ihnen verbracht. Es waren sonnige, heitere Tage gewesen. Die Frauen hatten zusammengesessen und geplaudert, die Männer hatten ein Boot aus Lederhaut gebaut und die Kinder hatten miteinander gespielt. Loas hatte die Gelegenheit genutzt, sich mit dem Seher des Falkenclans zu Gesprächen in sein Zelt zurückzuziehen. Er schätzte diesen Seher wegen seiner scharfsinnigen Erkenntnisse über die Bewegungen der Himmelslichter, und auch Skert hatte an den Treffen teilgenommen. Während der dritten Zusammenkunft jedoch war ein schreckliches Unwetter ausgebrochen. Wie ein zorniger Stier war der Sturm über den See gerast, hatte Zelte zerfetzt, Bäume entwurzelt. Einer war genau auf das Zelt gestürzt, in dem die Seher saßen, und hatte Skert erschlagen. Die beiden alten Seher waren von den Geistern geschützt worden und unversehrt geblieben.
    Seither herrschte Unruhe im Löwenclan. Nach der Rückkehr ins Winterlager lebte Loas alleine im Felsen, doch besagten die Regeln, dass jeder Clanseher beizeiten einen Nachfolger wählte, damit das Amt gesichert war. Loas war nicht mehr jung, und wer würde seinen Platz einnehmen, wenn auch er ins Reich der Ahnen abberufen wurde? Die Aufgaben eines Sehers waren vielfältig und umfangreich.Es nahm viel Zeit in Anspruch, bis er in alle Geheimnisse eingeweiht war und die traditionellen Zeremonien fehlerfrei vollziehen konnte. Das Wohlergehen eines jeden Clans hing wesentlich von der Weisheit seines Sehers ab, von seinem Scharfsinn, seinem Weitblick, seinem Wissen, das ihm aus dem Austausch mit den Geistern erwuchs.
    Es bestand also die nicht geringe Gefahr, dass der Löwenclan eines Tages ohne Seher war, und es war bekannt, dass Irinot Loas wiederholt gebeten hatte, sich nach einem Nachfolger umzusehen. Doch Loas ließ sich nicht drängen. Und obwohl es sich um eine Männersache handelte, wurde das Thema regelmäßig auch unter den Frauen erörtert.
    »Loas hat recht. Einen Seher kann man nicht anlernen wie einen Jagdtreiber«, pflegte Blaga jedes Mal zu sagen. »Ich kann auch nicht irgendein beliebiges Mädchen zur Heilerin ausbilden. Es muss eines sein, das von Ama für diese Aufgabe bestimmt wurde.«
    Dann nickten die anderen Frauen stumm. Ebenso wie der Seher ein von den Geistern Auserwählter war, war auch die Heilerin eine Auserwählte. War der Clanseher der Wächter über die Geheimnisse der Geisterwelt, so galt die Heilerin als die Hüterin der Geheimnisse von Erdmutter

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