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Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit

Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit

Titel: Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Feuerland
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Ama. Im Löwenclan hatte Blaga diese Rolle inne, und wie Loas hatte sie viel Zeit und Sorgfalt darauf verwendet, eine Nachfolgerin für ihr Amt zu finden. Schließlich hatte sie in Nomit, der zweiten Tochter von Spona, die Gaben der Heilerin erkannt und sie im Lauf der Jahre in ihr geheimes Wissen eingeweiht.
    »Sag Sina meinen Dank«, sagte Loas, als Kalla das Essen abstellte.
    Seit jeher war es Brauch, dass der Seher von den Frauen des Clans verköstigt wurde. Sie kochten abwechselndfür ihn und schickten die Kinder mit dem Essen zum Roten Felsen.
    »Ich bin spät dran«, entschuldigte sich Kalla. »Aber dafür habe ich dir Beeren mitgebracht.«
    Sie schüttete den kleinen Beutel aus. Loas nahm eine Beere und legte sie sorgsam in eine kleine Bodenwölbung neben seinem Steinsitz. Das war die übliche Geste, mit der man Erdmutter Ama für ihre Gaben dankte. Kalla fiel ein, dass sie   – als sie am Morgen ein paar Beeren gegessen hatte   – diese Danksagung an Ama vergessen hatte. Schuldbewusst senkte sie den Kopf. Loas betrachtete sie aufmerksam.
    »Deine Augen sagen, dass du etwas Bedeutendes erlebt hast«, lächelte er. Kalla nickte heftig. Sie glühte vor Aufregung und öffnete schon den Mund, um Loas von dem erbeuteten Reh zu erzählen und ihn zu fragen, ob es wahr sei, dass es Stämme gebe, in denen nur Frauen lebten, und ob diese Frauen auf die Jagd gingen. Doch dann besann sie sich. Es gab wichtigere Fragen.
    »Auf dem Weg vom Blauen See zurück hierher habe ich in der Ferne einen Mann gesehen«, erzählte sie. »Dreimal. Er gehörte nicht zu uns, und er kam und ging wie ein Schatten. Einmal waren noch zwei andere Schatten bei ihm. Kann es sein, dass die drei vielleicht zu den Dunklen gehörten? Man sagt zwar, dass die Dunklen schon vor vielen Sommern zum Schwarzen Fluss gegangen sind, aber könnte es sein, dass doch noch welche leben?«
    Loas nickte vor sich hin. Die Dunklen waren ein Thema, das alle Clane beschäftigte. Wer genau sie gewesen waren, wusste niemand. Kein Lebender hatte je einen von ihnen zu sehen bekommen, denn ihre Welt   – so sagte man   – war untergegangen. So kannte man nur die altenGeschichten, die an den Feuern über sie erzählt wurden. Darin wurden sie als düstere schwerfällige Wesen geschildert, die riesige Köpfe hatten und sich mit dumpfen Lauten verständigten. Die meisten waren überzeugt, es habe sich bei den Dunklen um Menschen gehandelt, andere hingegen behaupteten, sie seien Tiere gewesen.
    »Sind sie wirklich alle zum Schwarzen Fluss gegangen, die Dunklen?«, fragte Kalla. »Alle?«
    Loas schwieg und wiegte den Kopf hin und her.
    »Die Sonne steigt aus der Erde und reist zum Himmel hinauf, und wenn sie ihre Reise beendet hat, sinkt sie hinab und kehrt ins Dunkel der Erde zurück«, sagte er in seinem wiegenden Tonfall. »So geschieht es mit allem Leben, und so geschah es auch mit den Dunklen. Einst tauchten sie aus dem tiefen Schoß von Erdmutter Ama auf, um die Reise ins Licht anzutreten. Und als die Reise beendet war, kehrten sie in Amas Reich zurück.«
    »Aber warum?«, grübelte Kalla. »Haben sie etwa Erdmutter Ama so sehr erzürnt, dass sie ihnen keine neuen Kinder geben wollte?   – Und wird das auch bei uns einmal so sein?«
    Loas sah Kalla erstaunt an. Sein himmelfarbenes Auge glitzerte, das braune Erdauge glühte.
    »Ich wusste wohl, dass dein Schutztier der Wolf ist«, lächelte er. »Und ich habe dich zu einem mutigen Mädchen heranwachsen sehen. Doch jetzt sehe ich, dass der Wolfsgeist deinem Verstand auch die Schärfe des Reißzahns verliehen hat.«
    »Meinst du, unsere Reise ist auch bald zu Ende?«, wiederholte Kalla unbeirrt. »So wie die Reise der Dunklen?«
    Loas sah auf die Erde und betrachtete eine Spinne, die dort saß. Dann hob er den Kopf und wandte das Gesichtzum Himmel. Seine Augen waren geschlossen. Eine lange Weile schwieg er; so lange, dass Kalla schon befürchtete, er sei eingeschlafen.
    »Es werden noch viele Nächte kommen, in denen uns der Himmelsstier sein Lichthorn zeigt«, sagte der Seher schließlich, und seine Stimme klang, als käme sie aus weiter Ferne. »Unsere Reise wird noch viele Mondläufe währen, so viele Monde, wie Ameisen die Erde bewohnen.« Während er weitersprach, zuckten seine Lider, als sehe er hinter den geschlossenen Augen eine Reihe von Bildern vorüberziehen.
    »Einmal wird ein Sturm durchs Tal brausen, und die Nacht wird den Tag verschlingen«, fuhr er fort. »Wie die Blätter von den Bäumen fallen

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