Kalla vom Loewenclan - Abenteuer in der Steinzeit
einem Steinblock herein und schleppte ihn in die Mitte der Höhle.
Loas holte vier große, helle löchrige Kugeln unter seinem Mantel hervor und ordnete sie um den Stein herum zu einem großen Viereck an. Mit angehaltenem Atem steckte Kalla den Kopf aus dem Versteck. Sie erkannte vier blanke Schädel, die offenbar von Menschen stammten. Mit feierlicher Miene wanderte Loas um den Steinblock herum und blieb bei jedem Schädel kurz stehen.
»Torok, erster Ahnvater des Löwenclans«, hörte Kalla ihn sagen. »Kanba, zweiter Ahnvater des Löwenclans. Merut, dritter Ahnvater des Löwenclans. So’ip, vierter Ahnvater der Löwenclans.«
Loas hatte den Kreis geschlossen und winkte Tomo erneut eine stumme Anweisung zu. Wieder lief Tomo hinaus. Diesmal kam er mit einem großen unförmigen Bündel zurück, das in Rentierhaut eingeschlagen war. Feierlich trug der Seher das Paket zu dem Steinblock. Dort nahm er die Rentierhaut ab und stellte mit Tomos Hilfe behutsam einen großen weißen Gegenstand auf den Stein.
Als Kalla erkannte, was dort auf dem Steinblock lag, fuhr sie erschrocken zurück. Dabei stieß sie mit dem Hinterkopf gegen eine scharfe Felsenkante. Ein stechender Schmerz durchfuhr sie, es wurde dunkel, und sie verlor das Bewusstsein. Das letzte Bild, das sie in den plötzlichen Schlaf mitnahm, war der Anblick eines riesigen, weiß leuchtenden Bärenschädels, der im Schein von roten und gelben Flammenzungen tanzte und mit riesigen schwarzen Augen ins Leere starrte.
Großer Himmelsstier,
der du über alles Leben unter dem
Himmelsdach herrschst,
wir danken dir.
– Großer Himmelsstier, wir danken dir.
So wie dein Licht kommt und geht
und sich zu neuem Licht wandelt,
so steigt die Seele auf und geht
und wandelt sich zu neuem Leben.
– Großer Himmelsstier, wir danken dir.
Erdmutter Ama, die du über die Erde herrschst,
wir danken dir.
– Mutter Ama, wir danken dir.
Du schenkst uns den Hirsch.
– Ama, wir danken dir.
Du schenkst uns das Pferd.
– Ama, wir danken dir.
Du schenkst uns den Steinbock
und den Bär und die Gämse.
– Ama, wir danken dir.
Du schenkst uns das Mammut und das Bison.
– Ama, wir danken dir.
Du schenkst uns das Wollnashorn und den Luchs.
– Ama, wir danken dir.
Du schenkst uns das Rentier.
– Ama, wir danken dir.
Wenn die Sonne wiederkommt,
werden wir auf die Jagd gehen.
– Wir werden auf die Jagd gehen.
Wir werden das Rentier jagen in Ehren.
– Wir jagen und ehren.
Aus der Haut des Rentiers
werden wir neue Zelte nähen,
aus dem Geweih des Rentiers
werden wir Geräte machen
und aus seinen Sehnen
werden wir Schnüre machen.
Wir werden das Fleisch des Rentiers
verzehren in Ehren.
– Wir werden sein Fleisch verzehren in Ehren.
Wir werden das Herz des Rentiers verzehren.
So werden wir seinen Geist in uns aufnehmen
und ebenso schnell und behände sein
wie das Rentier.
– Wir werden seinen Geist aufnehmen
und schnell sein wie das Rentier.
Wir werden das Mammut jagen und ehren.
– Wir werden das Mammut jagen und ehren.
Aus den Knochen des Mammuts
werden wir Geräte schnitzen,
aus seinem Zahn werden wir Perlen machen,
und aus seiner Magenhaut
werden wir neue Wassersäcke nähen.
Wir werden das Herz des Mammuts
verzehren in Ehren
und seine Stärke in uns aufnehmen
und seine Kraft.
– Wir werden das Fleisch des Mammuts
verzehren in Ehren.
Torok, erster Ahnvater des Löwenclans,
dein Geist soll für uns sprechen
und den Geist des Rentiers versöhnen
und den Geist des Mammuts.
– Torok, sprich für uns.
Kanba, zweiter Ahnvater des Löwenclans,
dein Geist soll für uns sprechen und
den Geist des Rentiers versöhnen
und den Geist des Mammuts.
– Kanba, sprich für uns.
Merut, dritter Ahnvater des Löwenclans,
dein Geist soll für uns sprechen und
den Geist des Rentiers versöhnen
und den Geist des Mammuts.
– Merut, sprich für uns.
So’ip, vierter Ahnvater des Löwenclans,
dein Geist soll für uns sprechen und
den Geist des Rentiers versöhnen
und den Geist des Mammuts.
– So’ip, sprich für uns.
Denn wenn die Sonne wiederkommt,
werden wir das Rentier jagen
und das Mammut.
Kalla erwachte von einem dumpfen dröhnenden Hämmern. Ihr Kopf schmerzte, und sie hatte das Gefühl, in einen brummenden Pelz eingehüllt zu sein. Dazu schlug ihr ein betäubender Geruch entgegen. Wo war sie? Nurmühsam gelang es ihr, sich zu erinnern. Wie lange lag sie schon hier?
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