Kalle Blomquist
sich um und kam auf ihre Straßenseite herüber. Mißtrauisch starrte er genau in die Büsche hinein, hinter denen sie lagen. Hörte er wirklich ihre hämmernden Herzen und ihren keuchenden Atem nicht?
Es kam ihnen wie ein Wunder vor, daß er es nicht tat. Er stand ein Weilchen und horchte, machte einen kleinen Gang zum Auto und sah durch ein Seitenfenster hinein. Schlenderte etwas aufgeregt auf der Straße hin und zurück. Blieb mal stehen und starrte wie gebannt zur Villa hinüber. Fand er, daß seine Kumpane zu lange blieben?
Hinter den Büschen herrschte Verzweiflung. Was konnte man schon für Rasmus tun, solange die Figur dort umherlief?
Eva-Lotte weinte. Kalle mußte ihr einen kräftigen Puff geben, um sie zum Schweigen zu bringen, und schließlich nahm er sich mit dem Puff auch etwas von seiner eigenen Angst.
»Jammer und Elend«, sagte Anders. »Was sollen wir denn bloß tun?«
Da schluckte Eva-Lotte energisch einen Schluchzer hinunter und sagte: »Ich, auf jeden Fall – ich muß zu Rasmus in das Auto.
Wird er geraubt, so werde ich auch geraubt! Er soll nicht ganz allein mit einem Haufen Räuber sein, wenn er aufwacht.«
»Ja aber …« wollte Kalle einwenden.
»Ruhig! Red nicht!« wehrte Eva-Lotte ab. »Geht und macht verdächtige Geräusche in den Büschen – etwas weiter weg natürlich –, damit der Kerl das Auto eine Weile vergißt.«
Anders und Kalle sahen sie erschrocken an, aber sie merkten, Eva-Lotte war entschlossen. Und wenn Eva-Lotte entschlossen war, konnte man nichts dagegen tun. Das wußten sie aus Erfahrung.
»Laß mich das für dich machen«, schlug Kalle vor, obwohl er genau wußte, daß es zwecklos war.
»Los, los, lauft schon!« sagte Eva-Lotte. »Beeilt euch! Beeilt euch!« Sie gehorchten ihr. Bevor sie verschwanden, hörten sie hinter sich noch Eva-Lottes flüsternde Stimme:
»Wie eine Mutter werde ich zu Rasmus sein. Und dann werde ich, wenn ich kann, Spuren zurücklassen. Ihr wißt doch: so wie in ›Hänsel und Gretel‹.«
»Fein«, sagte Kalle. »Wir werden dir wie zwei Bluthunde folgen.«
Sie winkten ihr noch einmal zu und liefen dann lautlos zwischen den Büschen fort.
Wie gut, wenn man bei solchen Gelegenheiten leise schleichen kann! Also ist er doch nicht nutzlos gewesen, der Krieg der Rosen. Man hat sich eine gewisse Übung darin erworben, Wacht-posten zu täuschen. Diesen Idioten auf der Straße zum Beispiel.
Er hat den Auftrag bekommen, Rasmus zu bewachen. Und treu und brav schlendert er nun auf der Straße um das Auto herum.
Hin und her. Hin und her. Dann aber hört er plötzlich weiter entfernt in den Büschen ein verdächtiges Geknacke. Und dann muß er natürlich dorthin und sehen, was das wohl sein kann.
Springt also resolut über den Graben und taucht hinein in die Haselnußsträucher. Sehr aufmerksam, sehr wachsam, klar, klar, er ist ja so wachsam! Aber es ist doch das Auto, auf das er achtgeben soll, der Dumme! Was kann nicht alles am Auto passieren, während er zwischen den Haselnußsträuchern sucht! Völlig sinnlos sucht. Denn er findet dort nichts, einfach gar nichts.
Freilich liegen da zusammengekauert hinter einem Gebüsch zwei Jungen versteckt, aber die sieht er natürlich nicht. Und in seiner Einfalt glaubt er, falsch gehört zu haben, oder er glaubt, daß da ein Tier zwischen den Büschen geraschelt hat. Er ist schon ein wachsamer Bursche! Er hat es jedenfalls bewiesen.
Und als er zum Auto zurückgeht, ist er richtig zufrieden mit sich selbst.
Und nun kommen auch endlich seine Kumpane. Die beiden Jungen, die vorsichtig aus dem Haselnußbusch hervorlugen, sehen sie auch.
»Guck, der Professor«, flüsterte Kalle. »Sieh bloß, die rauben auch den Professor!«
Ist das überhaupt wahr? Ist das alles nur ein Traum? Ist das wirklich der Professor, der da zum Auto gezerrt wird? Ein wilder, wütender, sich wehrender, widerspenstiger Professor mit auf dem Rücken gebundenen Händen und einem Knebel im Mund.
Es ist wie im Traum und unheimlich. Aber ist es denn ein Traum? Jetzt, da es anfängt hell zu werden, sieht man alles so entsetzlich klar. Der Staub, den der Professor mit seinen widerstrebenden Füßen aufwirbelt, der ist kein Traum. Der Knall, als die Autotür hinter ihm zugeworfen wird, ist auch Wirklichkeit.
Nun rast der Wagen die abschüssige Straße hinunter und verschwindet. In dem klaren Dämmerlicht liegt die Straße jetzt einsam und leer da. Es könnte alles ein Traum gewesen sein, wenn nicht noch ein schwacher Dunst von Benzin
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