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Kalle Blomquist

Kalle Blomquist

Titel: Kalle Blomquist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
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gewirkt.
    Die Tränen hatten so schnell aufgehört, wie sie begonnen hatten, und Rasmus’ Glaube an die Menschheit war wiederhergestellt gewesen. Dann hatten sie zwei Stunden lang Zielschießen mit dem neuen Flitzbogen geübt – und für Rasmus stand fest: Nicke war nett. Und wenn nun Eva-Lotte sagte, daß Nicke ein Kidnapper war, dann waren Kidnapper eben nett.
    Genau wie zu erwarten gewesen war, stieg die Sonne höher und höher und schien weiterhin über die Bösen und über die Guten.
    Sie schien und erwärmte die Klippen, auf denen Kalle und Anders badend den Tag verbrachten. Sie schien auf Nicke, der auf Eva-Lottes Treppe saß und Borkenboote schnitzte, und auf Rasmus, der die fertigen Boote in der Regentonne an der Hausecke probe-fahren ließ. Sie spielte in Eva-Lottes blondem Haar, während diese auf ihrer Bank im Zimmer saß und Nicke, der sie nicht hinaus-lassen wollte, haßte. Und die Sonne ärgerte Peters, weil sich Peters an diesem schönen Sommertag über alles ärgerte und deshalb bei der Sonne keine Ausnahme machte. Aber ohne sich um den Ärger von Peters zu kümmern, verfolgte die Sonne ruhig ihre Bahn und ging schließlich – wie zu erwarten gewesen war – im Westen hinter den Wäldern drüben auf dem Festland unter.
    Damit war nun der zweite Tag auf der Insel auch zu Ende.
    Nein, nicht zu Ende! Jetzt fing er erst an!
    Es begann damit, daß Peters zu Eva-Lotte kam. Eva-Lotte beachtete er allerdings nicht. Mit ihr war er fertig. Sie hatte gesehen, wie Rasmus und der Professor geraubt wurden. Sie hatte sich in das Auto geschmuggelt, weil dieser Idiot von Svanberg nicht ordentlich genug aufgepaßt hatte. Sie war der einzige Augenzeuge und durfte nicht frei umherlaufen. Es war zwar beschwerlich, sie hier auf der Insel zu haben, aber es war nicht zu ändern. Möglicherweise konnte sie den Kleinen beruhigen, bis dessen dickschä-deliger Vater Vernunft angenommen hatte. Mehr war von Peters’
    Seite über Eva-Lotte nicht zu sagen. Um sie brauchte er sich nicht mehr zu kümmern. Er wollte mit Rasmus sprechen.
    Rasmus lag bereits in seinem Bett auf der Bank. Vor sich auf der Decke hatte er fünf kleine Borkenboote liegen. An der Wand hing sein Flitzbogen. Er fühlte sich reich und war glücklich. Es machte Spaß, auf dieser Insel zu sein, wirklich Spaß, und Kidnapper waren nett.

    »Hör mal, kleiner Mann«, sagte Peters und setzte sich zu Rasmus, »was würdest du sagen, wenn du den ganzen Sommer auf der Insel bleiben müßtest?«
    Ein Lächeln huschte über Rasmus’ Gesicht: »Den ganzen Sommer! Du bist aber nett! Dann können Vati und ich also bei dir die Sommerferien verbringen?«
    »Eins zu null für Rasmus«, dachte Eva-Lotte und lächelte boshaft. Aber sie sagte nichts. Dieser Peters war nicht der Mann, zu dem man so ohne weiteres sprach. Nicke saß auf einem Stuhl am Fenster und war sehr zufrieden. Endlich war das großschnäuzige Mädchen gezwungen zu schweigen.
    Peters war nicht so zufrieden. »Hör mal, Rasmus«, fing er an, aber Rasmus unterbrach ihn freudestrahlend.
    »Dann können wir jeden Tag baden, nicht?« fragte er. »Ich kann schon fünf Stöße schwimmen. Willst du mal sehen, wie ich fünf Stöße schwimme?«
    »Jaja«, sagte Peters, »aber …«
    »Oh, das wird lustig werden«, redete Rasmus weiter. »Paß auf: Einmal im Sommer, als wir badeten, kam Marianne unter das Wasser. Blupp, blupp, blupp, sagte es. Aber dann kam sie wieder hoch. Marianne kann nämlich bloß vier Stöße schwimmen!«
    Peters stöhnte nervös: »Ich pfeife auf deine Schwimmstöße.
    Ich will wissen, wo dein Vater diese Papiere mit den roten Zahlen versteckt hat.«
    Rasmus hob die Augenbrauen und betrachtete ihn ungnädig.
    »Pfui Blase, was bist du dumm«, sagte er. »Hast du denn nicht gehört, wie Vati zu mir gesagt hat, daß ich es dir nicht erzählen darf?«
    »Dein Vater interessiert uns jetzt gar nicht. Außerdem sollte so ein kleiner Rotzjunge nicht du zu älteren Personen sagen.
    Nenne mich Herr Peters, verstanden?«
    »Heißt du etwa so?« fragte Rasmus und streichelte sein schönstes Borkenboot.
    Peters schluckte heftig. Er sah ein, daß man sich beherrschen mußte, wenn man Erfolg haben wollte. »Rasmus, du bekommst etwas Wundervolles, wenn du es mir erzählst«, sagte er mild.
    »Du bekommst eine Dampfmaschine!«
    »Dampfmaschine? Habe ich schon«, sagte Rasmus. »Bor-kenboote sind besser.« Er hielt Peters sein schönstes Borkenboot dicht unter die Nase: »Na, hast du schon jemals ein so

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