Kalle Blomquist
Stufen, die knarrten, auszulassen, denn seine Mutter hatte im Laufe der Jahre die bemerkenswerte Begabung entwickelt, gerade von diesem Knarren aufzuwachen. Aber es mußte Kalle sein, der die Stufen zum Knarren brachte, sonst wachte sie nicht auf
– ein absolut übernatürliches Phänomen, für das sich die psy-chologische Forschung, wie Kalle dachte, eigentlich näher interessieren sollte.
Im Augenblick lag ihm nichts daran, seine Mutter – und seinen Vater noch weniger – zu wecken. Er wollte nur seinen Rucksack, die Schlafsäcke und einige andere Campingutensili-en holen. Wenn seine Eltern erst aufwachten, würde viel zuviel kostbare Zeit mit nutzlosen Erklärungen verschwendet werden.
Im übrigen hatte sich auch Kalles Fähigkeit, den bewußten Treppenstufen auszuweichen, im Laufe der Jahre erstaunlich vervollkommnet, und so kam er vollbepackt und unbeschädigt unten wieder an.
Gegen halb vier Uhr morgens nahm ein Motorrad in guter Fahrt Kurve um Kurve des Weges, der sich zum Meer schlängelte.
Auf dem Tisch in Viktor Blomquists Laden lag ein abgerisse-nes Stück weißes Einwickelpapier, auf dem sich folgende Mitteilung befand:
»Lieber Vater, Du kannst meinen Lohn für diesen Monat einbehalten, denn ich habe entnommen:
Salami ............................ 1 kg
Wiener Würstchen .............. 1 kg
ger. Schinken .................... ½ kg
von den kleinen Käsen
(Du weißt schon)............... 10 Stück
Brote............................... 4 Stück
Geheimratskäse................... ½ kg
Butter............................... 1 kg
Streichhölzer ...................... 1 Paket
von den 50-Öre-Schokoladentafeln ....... 10 Stück
Benzinkanister (draußen vom Lager)
1 Stück............................... = 10 Liter
Kakao................................. 2 Pakete
Trockenmilch ....................... 2 Pakete
Zucker (fein)....................... 1 kg
Kaugummi............................ 5 Pakete
Spiritustabletten.................... 10 Schachteln
Möglicherweise noch das eine oder andere, wovon ich gerade im Augenblick nichts mehr weiß. Ich verstehe, daß Du böse bist, aber wenn Du wüßtest, wie es war, würdest Du nicht böse sein, das weiß ich genau. Willst Du Onkel Lisander und Anders’ Vater bitte sagen, sie sollten sich beruhigen. Sei nicht böse, dann bist Du lieb – ich bin Dir doch immer ein guter Sohn gewesen.
Nein, jetzt will ich schließen, sonst werde ich noch gerührt.
Herzliche Grüße, auch an Mama, von Kalle
P. S.: Du bist doch nicht wütend?«
In dieser Nacht schlief Eva-Lotte sehr unruhig und wachte mit dem Gefühl auf, daß sich etwas Unangenehmes vorbereitete. Sie ängstigte sich wegen Kalle und Anders. Wie war es ihnen wohl ergangen, und wie war es mit den Papieren des Professors? Die Ungewißheit war entsetzlich, und sie beschloß, eine Attacke gegen Nicke zu unternehmen, sobald er sich mit dem Frühstück sehen ließ. Aber als Nicke endlich kam, sah er so böse aus, daß Eva-Lotte zögerte. Rasmus zwitscherte ein fröhliches »Guten Morgen«, aber Nicke beachtete ihn nicht, sondern ging direkt auf Eva-Lotte zu.
»Satansbalg«, sagte er mit Nachdruck.
»Aha«, sagte Eva-Lotte.
»Du lügst ja, daß es eine Sünde und Schande ohnegleichen ist«, fuhr Nicke fort. »Hast du nicht zum Chef gesagt, als er dich verhört hat, daß du allein warst – damals in der Nacht, als du in das Auto gekrochen bist?«
»Du meinst, als ihr Rasmus geraubt habt«, sagte Eva-Lotte.
»Ja, genau damals, als wir … ah, zieh Leine«, brummte Nik-ke. »Hast du nicht gesagt, daß du damals allein warst?«
»Ja, das habe ich gesagt!«
»Und das ist gelogen.«
»Warum denn?« fragte Eva-Lotte.
»Warum denn«, äffte Nicke ihr nach und lief vor Wut rot an.
»Warum denn? Weil du noch einige Strolche bei dir hattest! Sag die Wahrheit!«
»Na, bitte, stell dir vor, das hatte ich«, sagte Eva-Lotte zufrieden.
»Ja, das waren, soviel ich weiß, Anders und Kalle«, mischte Rasmus sich ein. »Denn die sind genau wie Eva-Lotte in der Weißen Rose. Und ich werde auch eine Weiße Rose werden, bitte sehr!«
Eva-Lotte fing plötzlich an, vor Unruhe zu frösteln. Bedeuteten Nickes Worte etwa, daß Kalle und Anders gefangen worden waren? Wenn das so war, dann konnten sie getrost alle zusammen Abschiedspostkarten schreiben. Sie mußte es sofort und genau wissen! Keine Minute länger hielt sie die Ungewißheit aus!
»Woher weißt du übrigens, daß ich welche bei mir hatte?«
fragte sie so
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