Kalle Blomquist
stöhnte auf.
»Was jammerst du denn da?« fragte Rasmus. »Warum kommt Nicke nicht, um mich rauszuholen? Ich will meine Borkenboote schwimmen lassen.«
Eva-Lotte wurde nachdenklich. Langsam nahm eine Idee in ihrem Gehirn Form an. Als die Idee fertig war, sprang sie auf und lief zu Rasmus.
»Rasmus«, begann sie, »findest du nicht, daß es heute sehr warm ist?«
»Doch«, sagte Rasmus zustimmend.
»Glaubst du nicht, daß es herrlich wäre, baden zu gehen?«
Rasmus fing Feuer. »Au ja«, rief er und stieß entzückte Schreie aus, »ja, wir gehen zusammen baden, Eva-Lotte! Ich kann schon fünf Stöße schwimmen.«
Bewundernd schlug Eva-Lotte die Hände zusammen.
»Das muß ich sehen«, rief sie. »Dann beeile dich und brülle kräftig nach Nicke Sonst dürfen wir ja nicht.«
»Klar«, sagte Rasmus mit großer Zuversicht. Er wußte, was er in dieser Beziehung leisten konnte, wenn es nötig war.
Und als Nicke angelaufen kam, warf sich Rasmus unmittelbar auf ihn: »Nicke dürfen wir nicht baden gehen?«
»Baden gehen?« fragte Nicke. »Wozu soll das gut sein?«
»Es ist aber doch so furchtbar warm«, sagte Rasmus. »Wir dürfen doch wohl baden gehen, wenn es so warm ist?«
Eva-Lotte sagte nichts. Sie wußte, daß es klüger war, diese Angelegenheit völlig Rasmus zu überlassen.
»Ich kann fünf Stöße schwimmen«, erklärte Rasmus. »Willst du gar nicht sehen, wenn ich fünf Stöße schwimme, Nicke?«
»Na ja, sicherlich«, sagte Nicke. »Aber baden gehen. Nein, ich glaube nicht, daß der Chef das so ohne weiteres erlaubt.«
»Aber ich kann doch keine fünf Stöße schwimmen, wenn ich nicht baden gehe«, sagte Rasmus mit tödlicher Logik. »Ich kann doch nicht trockenschwimmen.«
Damit war für ihn alles klar. Nicke war sicher nicht so dumm, freiwillig darauf zu verzichten, Rasmus fünf Stöße schwimmen zu sehen. Also steckte er seine kleine Hand in Nickes große Faust und sagte: »Komm also, gehen wir schon!«
Nicke sah mißbilligend zu Eva-Lotte. »Du gehst nicht mit«, sagte er barsch.
»Doch, Eva-Lotte soll mit, damit sie sehen kann, wie ich fünf Stöße schwimme.«
Es war schwer für Nicke, sich gegen die hartnäckige Kinder-stimme zu wehren. Er verachtete sich selbst wegen seiner Schwäche, aber so weit war es gekommen, daß Rasmus ihn lenkte, wohin er wollte, einfach indem er seine kleine Hand in die seine legte und ihn mit seinen hoffnungsvollen Augen ansah.
»Also gut, von mir aus – kommt!« brummte Nicke.
Davon also hatte sie geträumt: den schmalen Steg zur Anlegestelle hinunterzulaufen, die Kleider hinter einen Busch zu werfen, denn den Luftanzug trug sie immer darunter, sich kopf-
über in das klare Wasser, das im Sonnenschein glitzerte und schimmerte, zu werfen und auf der kleinen Brücke zu liegen, die Augen zu schließen und an nichts zu denken. Jetzt aber, als sie das alles durfte, war es für sie nur ein qualvoller Aufschub, der ihren großen Plan hinauszögerte.
Rasmus dagegen war toll vor Begeisterung. Wie ein fröhlicher kleiner Frosch sprang er in dem Wasser am Strand umher.
Nicke saß auf der kleinen Anlegebrücke und paßte auf, und Rasmus bespritzte ihn tüchtig mit Wasser und lachte und schrie und sprang auf und nieder, so daß es um ihn her sprühte. Er schwamm auch, aber dabei war er todernst und hielt die Luft an, bis er knallrot im Gesicht war. Danach atmete er mit großem Geschnaufe und brüllte Nicke entzückt zu: »Hast du es jetzt gesehen? Hast du gesehen, daß ich fünf Stöße schwimmen kann?«
Vielleicht hatte Nicke es gesehen, vielleicht aber auch nicht.
»Du bist schon eine lustige kleine Ordnung, du«, sagte er.
Mehr sagte er nicht zu Rasmus’ großartiger Fertigkeit im Schwimmen – aber war das etwa kein Lob?
Eva-Lotte lag auf dem Rücken und ließ sich von den Wellen tragen. Sie starrte in den Himmel hinein und wiederholte sich immer wieder: »Ruhig bleiben! Nur ruhig bleiben! Alles geht gut!«
Richtig überzeugt war sie davon aber nicht, und als Nicke rief, jetzt wäre Schluß mit dem Baden, fühlte sie, wie sie vor Spannung blaß wurde.
»Ein wenig dürfen wir doch noch im Wasser bleiben, Nik-ke«, sagte Rasmus bittend.
Eva-Lotte aber hielt es nicht länger aus. Deshalb nahm sie Rasmus auf den Arm und sagte: »Nein, Rasmus, komm, wir gehen!«
Rasmus strampelte und zappelte und sah hilfesuchend zu Nicke. Aber einmal waren Nicke und Eva-Lotte derselben Meinung.
»Beeilt euch jetzt«, sagte Nicke. »Es wäre gut, wenn der Chef erst gar
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