Kalle Blomquist
gleichgültig wie möglich.
»Weil diese verdammten Rotzlöffel die Dokumente gestohlen haben – genau vor der Nase vom Chef – einfach ihm wegge-stohlen!« schrie Nicke und glotzte sie dann böse an.
»Hurra!« schrie Eva-Lotte. »Hurra, Hurra!«
»Hurra!« kam es als Echo von Rasmus. »Hurra!«
Nicke wandte sich ihm zu, und in seinen Augen war Sorge, Sorge und Unruhe.
»Ja, du hast gerade Grund, Hurra zu schreien, gerade du!«
sagte er. »Ich glaube, dein Hurra wird bald sehr leise werden.
Wenn sie dich ins Ausland gebracht haben, wird dein Hurra hier nicht mehr zu hören sein.«
»Was sagst du da?« schrie Eva-Lotte.
»Ich sagte, daß sie kommen werden, um Rasmus ins Ausland zu bringen – sagte ich. Ein Flugzeug landet morgen abend hier und holt ihn ab. Denn jetzt wird es hier brenzlig. Die Polizei sitzt uns im Nacken. Deine Freunde werden schon dafür sorgen.«
Eva-Lotte schluckte heftig. Dann schrie sie los und sprang auf Nicke zu. Mit geballten Fäusten schlug sie auf ihn ein, sie schlug, wohin sie treffen konnte, und rief: »Das ist gemein! Das ist gemein! Oh, was seid ihr für schändliche – schändliche, gemeine Kidnapper!«
Nicke verteidigte sich nicht. Er ließ Eva-Lottes Fäuste auf sich herumtrommeln. Stand nur da und sah plötzlich so müde aus. Aber vielleicht hatte er in der Nacht auch nur sehr wenig geschlafen …
»Konnten es deine verdammten Freunde nicht bleibenlassen, mußten sie ihre Nase in den Dreck stecken«, sagte er schließlich. »Konnte nicht der Chef diese verdammten Dokumente kriegen, um die er so ein Wesen macht! Dann wäre doch dieses ganze traurige Elend endlich zu Ende gewesen.«
Inzwischen war Rasmus mit allem, was Nicke vom Flugzeug, das mit ihm ins Ausland fliegen sollte, erzählt hatte, fertig geworden. Er hatte zwei Möglichkeiten abgewogen. Was war besser: mit einem Flugzeug ins Ausland zu fliegen oder eine Weiße Rose zu werden? Als er seine Überlegungen beendet hatte, verkündete er seinen Beschluß.
»Nein, Nicke«, sagte er, »ich werde nicht mit dem Flugzeug ins Ausland fliegen, denn ich will eine Weiße Rose werden.«
Er ging zu Nicke, der auf der Bank saß, kletterte auf seine Knie und erklärte ihm genau, warum er eine Weiße Rose sein wollte. Alles, wie man nachts umherschlich und mit den Roten kämpfte, wie man Kriegsschreie ausstieß und alles, alles andere, was nötig war, um Nicke klarzumachen, warum es ein so großes wunderbares Abenteuer war, eine Weiße Rose zu sein. Nun mußte er doch begreifen, daß man nicht ins Ausland fliegen konnte. Als er damit fertig war, sah er Nicke strahlend an. Nicke schüttelte nur traurig den Kopf und sagte:
»Nein, nein, Häschen, du wirst niemals eine Weiße Rose.
Dazu ist es jetzt zu spät.« Da rutschte Rasmus von seinen Knien herunter und ging von ihm weg.
»Pfui Blase, wie dumm du bist, Nicke«, sagte er. »Ich werde
bestimmt
eine Weiße Rose, bitte sehr.«
Nicke ging zur Tür. Jemand hatte nach ihm gerufen. Rasmus sah ihn gehen, und er wußte, daß er sich beeilen mußte, wenn er Antwort auf die Frage, die ihn sehr beschäftigte, haben wollte.
»Du, Nicke«, sagte er, »wenn man aus einem Flugzeug spuckt, wie lange dauert es dann, bis die Spucke unten ankommt?«
Nicke drehte sich um und sah bekümmert in das fragende Jungengesicht. »Ich weiß es nicht genau«, sagte er ernst. »Du kannst es ja morgen abend selbst ausprobieren.«
ZEHNTES KAPITEL
Eva-Lotte saß auf ihrer Bank und dachte nach, biß auf eine Strähne ihres blonden Haares und dachte völlig verzweifelt nach. Und sie kam zu dem Schluß, daß alles hoffnungslos war. Wie sollte sie, eingesperrt in diesem Käfig, verhindern, daß man Rasmus in ein Flugzeug steckte und aus Schweden wegbrachte? Wer wußte etwas von den heimlichen Plänen, die Peters hatte? Sicher war doch, daß die Hoffnung, die wertvollen Papiere hier im Lande zu erwischen, für ihn erledigt war. Nun wollte er also den Professor zwingen, die Berechnungen noch einmal, in irgendeinem Laboratorium des Aus-landes, zu machen. Und Rasmus war sein Geisel. Armer kleiner Rasmus, noch hatte er keine Not leiden müssen, aber wie sollte es wohl mit ihm unter einem Haufen von Banditen und Verbrechern im Ausland gehen? Vor ihrem geistigen Auge sah sie den Professor an einem Tisch sitzen und Berechnungen anstellen, während ein greulicher Gefangenenaufseher seine Peitsche über Rasmus knallen ließ und dazu schrie: »Erfinde! Erfinde oder …!«
Der Anblick war quälend, und Eva-Lotte
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