Kalle Blomquist
unbeirrt fort, »du weißt nicht, wer …«
»Ich finde, es gibt nichts Schmackhafteres als Blaubeeren«, schrie Anders noch lauter. Peters schüttelte den Kopf.
»Ganz klug scheinst du nicht zu sein«, sagte er. »Aber das macht nicht viel aus. Ich gehe jetzt. Ich will euch nur noch einmal warnen: Stellt nicht noch mehr Unfug an.« Er ging zur Tür. Aber er zögerte, bevor er ging. »Ist ja wahr«, sprach er halblaut zu sich selbst. »Vielleicht sind hier ein paar Rasierklingen im Toilettenschrank.«
Toilettenschrank – der war an der Wand. Hinter dem Vorhang.
»Rasierklingen!« brüllte Eva-Lotte. »Rasierklingen – ist ja ulkig, die habe ich – alle aus Versehen aufgegessen – ich meine –ich – ach ja, ich habe sie verschluckt, bestimmt. Und dann habe ich auf den Rasierpinsel gespuckt.«
Peters starrte sie mit gesenktem Kopf an. »Eure Eltern, die können einem leid tun«, sagte er leise, drehte sich um und verschwand.
Wieder waren sie allein. Sie saßen zu dritt auf einer Bank und unterhielten sich mit leiser Stimme über das, was geschehen war. Auf dem Boden vor ihnen hockte Rasmus und ließ sich kein Wort entgehen.
»Es stürmt zu sehr«, sagte Kalle. »Wir können nichts anfangen, bevor es sich aufgeklärt hat.«
»Manchmal gibt es sogar Windstärke neun«, sagte Anders als kleine Ermunterung.
»Was willst du tun, während du wartest?« fragte Eva-Lotte beunruhigt.
»Ich werde wie eine Kröte unter dem Haussockel liegen«, sagte Kalle. »Und wenn Nicke den letzten Rundgang gemacht hat, komme ich zu euch, esse und schlafe hier.«
Anders lachte: »Wenn wir das alles doch bloß einmal mit den Roten machen könnten, es wäre zu schön.«
So saßen sie lange Zeit. Aus dem Wald klang das Rufen und Schreien von Peters, Nicke und Blom, die dort nach Kalle suchten.
»Ja, sucht nur«, sagte Kalle grimmig. »Mehr als Blaubeeren werdet ihr dort nicht finden.«
Es wurde Abend, und es wurde dunkel. Kalle konnte schon nicht mehr in der Enge unter dem Sockel liegen. Er mußte raus und sich bewegen, bevor ihm Arme und Beine endgültig ein-schliefen. Zu den anderen hineinzugehen, war es noch zu früh.
Nicke hatte die Abendrunde noch nicht gemacht. Leise und vorsichtig ging Kalle im Dunkeln auf und ab.
Er sah im Hause bei Peters Licht. Das Fenster war offen, und er hörte ein schwaches Gemurmel von Stimmen. Wor-
über sprachen sie da drinnen? Wenn man sich ganz, ganz leise heranschlich und unter das Fenster stellte, vielleicht konnte man das eine oder andere Nützliche hören. Er schlich näher.
Immer einen Schritt nach dem anderen. Horchte immer zwischen zwei Schritten und stand dann endlich unter dem Fenster.
»Ich habe das Ganze satt«, hörte er Nicke mit unwirscher Stimme sagen. »Ich habe das alles bis in die Fußspitzen satt, ich will nichts mehr damit zu tun haben.«
Und dann Peters ruhig und eiskalt: »Aha, du willst nichts mehr damit zu tun haben! Und warum, wenn ich fragen darf?«
»Weil es nicht recht ist, mit Kindern so umzuspringen.«
»Sieh dich vor, Nicke«, sagte Peters. »Ich brauche dir wohl nicht erst zu schildern, wie es dir ergehen wird, wenn du versuchst abzuspringen.«
Eine Weile war es still. Dann sagte Nicke schließlich gräm-lich: »Na ja, natürlich, ich weiß schon.«
»Na also«, fuhr Peters fort. »Und ich warne dich, noch mehr Dummheiten zu machen. Du sprichst so närrisch, daß man dich fast im Verdacht haben könnte, du hättest den Jungen absichtlich laufenlassen.«
»Nu hör aber mal, Chef«, fuhr Nicke auf.
»Sicher, sicher, so dumm kannst ja nicht einmal du sein«, sagte Peters. »Sogar du müßtest doch verstehen, was es für uns bedeutet, wenn er geflohen ist.« Nicke antwortete nicht. »Nie in meinem Leben habe ich solche Angst ausgestanden«, sprach Peters weiter. »Wenn das Flugzeug nicht bald kommt, wird alles schiefgehen, davon kannst du überzeugt sein.«
Flugzeug? Kalle spitzte die Ohren. Was für ein Flugzeug sollte da kommen? Sein Nachdenken wurde unterbrochen. Durch die Dunkelheit kam jemand, jemand mit einer Taschenlampe. Er kam aus dem kleinen Haus, das vor dem Felsen lag, auf dem das Haus des Professors stand. Sicher ist es Blom oder Svanberg, dachte Kalle, als er sich fest gegen die Hauswand preßte. Aber er brauchte keine Angst zu haben. Der Mann hatte es eilig, und einen Augenblick später hörte Kalle, wie er im Haus zu den anderen sprach.
»Das Flugzeug trifft morgen früh sieben Uhr hier ein«, hörte er ihn sagen und erkannte Bloms
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