Kalle Blomquist
ganze Menge Erfahrung besaß, die ihm selbst abging.
»’n Abend«, sagte Kalle.
»’n Abend«, sagte Schutzmann Björk.
Der Schutzmann warf einen forschenden Blick auf einen schwarzlackierten Ford, der vor dem Hotelportal parkte.
»Ein Stockholmer Auto«, sagte er.
Kalle stellte sich an seine Seite, die Hände auf dem Rücken.
Eine ganze Weile standen sie still und betrachteten gedankenvoll die vereinzelten Abendwanderer, die über den Marktplatz gingen.
»Onkel Björk«, sagte Kalle plötzlich, »wenn man glaubt, daß ein Mensch ein Schurke ist, was macht man da?«
»Ihm eins aufs Maul geben«, sagte Schutzmann Björk vergnügt.
»Ja, aber ich meine, wenn er ein Verbrechen begangen hat«, sagte Kalle.
»Ihn festnehmen natürlich«, sagte der Schutzmann.
»Ja, aber wenn man es nur glaubt, es aber nicht beweisen kann«, beharrte Kalle.
»Ihn überwachen, was das Zeug hält!« Schutzmann Björk lachte ein breites Lachen. »Aha, du pfuschst mir ins Hand-werk!« sagte er freundlich.
»Ich pfusche gar nicht«, dachte Kalle beleidigt. Niemand nahm ihn ernst.
»Hallo, Kalle, jetzt muß ich mal zum Bahnhof runter. Mach inzwischen die Arbeit für mich!« Und damit ging Schutzmann Björk.
Ihn überwachen, hatte er gesagt! Man kann doch nicht einen Menschen überwachen, der die ganze Zeit nur in einem Garten sitzt und sich selbst überwacht! Onkel Einar hatte überhaupt nichts vor. Er lag oder saß oder ging in Bäckermeisters Garten herum wie ein Tier in einem Käfig und wollte, daß Eva-Lotte und Anders und Kalle ihn unterhielten und ihm halfen, die Zeit totzuschlagen. Ja, gerade eben das – die Zeit totzuschlagen! Es sah nicht so aus, als ob Onkel Einar Ferien hatte, es sah aus, als ob er wartete.
»Aber auf was? Das kriege ich nicht raus!« dachte Kalle und stieg die Treppe zum Hotel hinauf.
Der Portier war im Augenblick beschäftigt, so daß Kalle warten mußte. In der Portierloge standen zwei Herren.
»Können Sie mir sagen, ob ein Herr Brane hier im Hotel wohnt?« fragte der eine von ihnen. »Einar Brane?«
Der Portier schüttelte den Kopf »Sind Sie ganz sicher?«
»Ja, natürlich.«
Die zwei Männer sprachen leise miteinander. »Und auch keiner, der Einar Lindeberg heißt?« fragte der eine.
Kalle stutzte. Einar Lindeberg, das war ja, weiß Gott, Onkel Einar! Es ist immer angenehm, den Leuten mit Auskünften dienen zu können, und Kalle beabsichtigte gerade, den Mund auf-zumachen und zu erzählen, daß Einar Lindeberg bei Bäckermeister Lisander wohnte, aber im letzten Augenblick schluckte er es hinunter, und es kam nur ein zögerndes »Äh – hm« heraus.
»Jetzt bist du nahe daran gewesen, eine Dummheit zu machen, mein lieber Kalle«, sagte er sich mit leisem Vorwurf.
»Wir wollen erst mal warten und zusehen, wie das sich hier entwickelt.«
»Nein, wir haben auch keinen Gast mit diesem Namen hier«, sagte der Portier bestimmt.
»Nicht? Ja, Sie wissen natürlich auch nicht, ob jemand, der Brane oder Lindeberg heißt, sich hier in der Stadt in letzter Zeit aufgehalten hat? Und irgendwo anders als hier im Hotel gewohnt hat, meine ich.«
Der Portier schüttelte wieder den Kopf.
»All right! Können wir ein Doppelzimmer bekommen?«
»Bitte sehr! Nummer 34 wird sicher gut passen«, sagte der Portier höflich. »Es kann in zehn Minuten in Ordnung sein.
Wie lange bleiben die Herren?«
»Das kommt darauf an! Ein paar Tage, nehme ich an.«
Der Portier legte den Herren das Fremdenbuch vor, damit sie ihre Namen hineinschreiben konnten.
Und Kalle kaufte seine Abendzeitung. Er war merkwürdig aufgeregt. »Es brennt, es brennt absolut!« flüsterte er für sich selbst.
Es war ganz undenkbar, von hier fortzugehen, bevor er ein klares Bild von den Herren bekommen hatte, die nach Onkel Einar gefragt hatten. Er begriff sehr wohl, daß der Portier etwas erstaunt sein würde, wenn er, Kalle Blomquist, sich in die Hotelhalle setzte und die Zeitung läse, aber das war die einzige Möglichkeit. Kalle warf sich in einen der Ledersessel mit der Miene eines Engroshändlers auf Geschäftsreisen und hoffte von ganzem Herzen, daß der Portier ihn nicht hinauswerfen würde. Aber glücklicherweise mußte der Portier Telefonanrufe beantworten und hatte keine Zeit, Kalle seine Aufmerksamkeit zu widmen.
Kalle bohrte mit dem Zeigefinger zwei Löcher in die Zeitung und überlegte sich gleichzeitig, wie er seiner Mutter diesen merkwürdigen Eingriff in ihre Abendlektüre erklären sollte. Dann dachte er darüber
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