Kalle Blomquist
ihre blauen Augen auf. »Nein, das ist kein Wunder«, flüsterte sie. »Ich habe heute noch nichts weiter gegessen als ein Brötchen.«
SECHZEHNTES KAPITEL
Meisterdetektiv Blomquist lag auf dem Rücken unter dem Birnbaum. Ja, er war jetzt Meisterdetektiv und nicht nur Kalle. Das stand sogar in der Zeitung, die er in der Hand hatte. »Meister-detektiv Blomquist« stand da als Überschrift, und darunter war seine Fotografie. Die Fotografie stellte ganz gewiß nicht den reifen Mann mit den scharf geschnittenen Zügen und dem durchdringenden Blick dar, wie man es hätte erwarten können.
Das Gesicht, das einem aus der Zeitung entgegenblickte, war auffallend Kalle-artig, aber da war nichts zu machen. Eva-Lottes und Anders’ Fotografien waren auch dabei, wenn auch etwas weiter unten.
»Haben Sie bemerkt, junger Mann«, fragte Herr Blomquist seinen eingebildeten Zuhörer, »daß die ganze erste Seite nur von diesem kleinen Fall mit den gestohlenen Juwelen handelt, den aufzuklären mir kürzlich gelungen ist, als ich gerade etwas Zeit übrig hatte?«
O ja, das hatte sein eingebildeter Zuhörer wohl bemerkt, und er konnte seiner Bewunderung nicht genug Ausdruck geben.
»Da hat es wohl eine ordentliche Belohnung für Sie gegeben, Herr Blomquist?« vermutete er.
»Tja«, sagte Herr Blomquist, »natürlich bekam ich eine schreckliche Masse Moneten – hm, ich meine, selbstverständlich bekam ich eine nicht unbeträchtliche Summe Geld, aber das habe ich mit Fräulein Lisander und Herrn Bengtsson geteilt, die mir bei den Forschungsarbeiten keine geringe Hilfe geleistet haben. Um die Wahrheit zu sagen: Wir konnten uns zehntausend Kronen teilen, die Bankier Östberg uns als Belohnung zur Verfügung gestellt hat.«
Sein eingebildeter Zuhörer schlug vor Erstaunen die Hände zusammen.
»Na ja«, sagte Herr Blomquist und zupfte mit überlegener Miene an einem Grashalm, »immerhin, zehntausend Kronen sind auch Geld. Aber ich will Ihnen sagen, junger Mann, ich arbeite nicht des schnöden Goldes wegen. Ich habe ein einziges Ziel: die Bekämpfung des Verbrechens in unserer Gesellschaft.
Hercule Poirot, Lord Wimsey und der Unterzeichnete, ja, wir bleiben weiterhin auf dem Posten und haben nicht die Absicht, es zuzulassen, daß die Kriminalität die Oberhand gewinnt.«
Der eingebildete Zuhörer betonte ganz richtig, daß die Gesellschaft den Herren Poirot, Wimsey und Blomquist für ihre aufopfernde Arbeit im Dienste des Guten zu großem Dank verpflichtet sei.
»Bevor wir uns trennen, junger Mann«, sagte der Meisterdetektiv und nahm die Pfeife aus dem Mund, »eins will ich Ihnen sagen: Verbrechen lohnt sich nicht! Ehrlich währt am längsten, das hat sogar Artur Berg einmal zu mir gesagt. Und ich hoffe, er sieht es jetzt ein, wo er nun sitzt. In jedem Fall hat er viele Jahre Zeit, darüber nachzudenken. Und dann – Onkel Einar! – hm, Einar Lindeberg, ein so junger Mann schon auf der Bahn des Verbrechens! Möge seine Strafe ihm zur Besserung gereichen!
Denn – wie ich schon sagte – Verbrechen lohnt sich nicht!«
»Kalle!!!« Eva-Lotte steckte den Kopf durch die Zaunöffnung.
»Kalle, warum liegst du hier und starrst in die Luft? Komm rüber! Anders und ich wollen in die Stadt.«
»Leben Sie wohl, junger Mann«, sagte Meisterdetektiv Blomquist. »Fräulein Lisander hat mich gerufen, und – nebenbei gesagt – sie ist die junge Dame, mit der ich die Ehe einzugehen beabsichtige.« Sein eingebildeter Zuhörer beglückwünschte Fräulein Lisander zur Wahl ihres Gatten. »Ja, Fräulein Lisander weiß natürlich noch nichts davon«, sagte der Meisterdetektiv wahrheitsgemäß und hüpfte auf einem Bein zum Zaun hin, wo das besagte Fräulein mitsamt Herrn Bengtsson auf ihn wartete.
Es war Samstag abend. Alles atmete tiefsten Frieden, als Kalle, Anders und Eva-Lotte die Hauptstraße entlanggeschlendert kamen. Die Kastanien hatten schon längst zu blühen aufgehört, aber in den kleinen Gärten prunkten Rosen und Levkojen und Löwenmaul. Sie gingen zur Gerberei hinunter. Friedrich mit dem Fuß war bereits betrunken und stand da und wartete auf Schutzmann Björk. Kalle, Anders und Eva-Lotte blieben eine Weile stehen, um Friedrichs Geschichten aus seinem Leben mit anzuhören. Aber dann gingen sie weiter zur Prärie hinaus.
»Seht mal, da sind Sixtus und Benka und Jonte«, sagte Anders plötzlich, und seine Augen fingen an zu blitzen. Kalle und Eva-Lotte gingen dichter zu ihrem Chef hin. Und die Weißen marschierten direkt auf die
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