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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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ein Kind empfangen. Natürlich hat man ihr die Schuld dafür gegeben. Der Mann wird ja nie in Frage gestellt.
    Aber dann hat er Eure Mutter geheiratet. Drei Jahre vergingen, und wieder kein Kind. Kein Kind, bis . « Sie wandte sich zu mir, plötzlich wieder die Alte und voller Wut. »Oh, Kind! Geht und schaut in einen Spiegel! Ihr seht Antonio in keiner Weise ähnlich! Aber alle anderen konnten es sehen .«
    »Was?« Ich hatte mich absichtlich dumm gestellt, glaube ich, weil ich nicht verstehen wollte, was sie meinte -doch rückblickend muss ich es die ganze Zeit schon begriffen haben. Ich stand kurz davor, in Tränen auszubrechen. »Ich weiß, ich mag meinen Vater nicht, aber ... Was sehen alle?«
    Schließlich legte sie mir zum Trost die Hände auf die Schultern, als hätte sie zu guter Letzt gemerkt, dass mich das, was sie mir zu sagen hatte, verletzen würde. »Madonna, verzeiht mir. Bitte. Eure Mutter hat Giuliano de' Medici geliebt.«
    »Giuliano ...«, hob ich an und verstummte. Ich hatte schon sagen wollen, Zalumma sei verrückt, Giuliano - mein Giuliano - habe meine Mutter nie kennengelernt, sodass es albern sei zu sagen, sie habe ihn geliebt.
    Doch kehrte ich in Gedanken zu jenem Zeitpunkt zurück, als ich mit Leonardo in Lorenzos Hof gestanden und der Künstler mich gebeten hatte, ich sollte mich vor Giu-lianos Statue stellen, dessen Gesichtszüge mir so merkwürdig vertraut waren.
    Ich dachte an Leonardos kundiges, geübtes Auge, wie er mein Bild so wahrheitsgetreu in einer Skizze reproduziert hatte, nachdem er mich nur ein einziges Mal gesehen hatte. Auch Lorenzo fiel mir wieder ein, wie er aus dem Fenster schaute. Da erst begriff ich es: Er hatte auf ein Zeichen des Künstlers gewartet.
    Meine Mutter muss von Anfang an gewusst haben, dass ich Giulianos Kind war. Mein Vater hatte sich in seiner Eifersucht monatelang von ihr ferngehalten, bevor sie mich empfing, und noch lange nach meiner Geburt. Genau diese Eifersucht hatte ihn schließlich veranlasst, sie zu schlagen, als sie ihm ihre Schwangerschaft gestand.
    Natürlich gab es Gerüchte über die Affäre. Nachdem Giuliano gestorben war, vereinbarten meine Mutter und Antonio ein Täuschungsmanöver, um meinem Vater die Schande zu ersparen: Sie würde mich heimlich im Haus ihrer Mutter auf dem Lande zur Welt bringen und mit mir erst dann zurückkehren, wenn mein Alter die Lüge möglich machte. Ich wurde spät getauft; mein falsches Geburtsdatum wurde im Standesregister der Stadt festgehalten.
    So würde niemand den Verdacht hegen, ich sei Giuliano de' Medicis Tochter. Niemand vielleicht außer dem Astrologen, der heimlich von Zalumma bezahlt wurde, damit sie und meine furchtbar neugierige Mutter die Wahrheit über mein Schicksal erfuhren.
    Niemand, außer Leonardo und Lorenzo, die die Gesichtszüge des geliebten Menschen schon von weitem erkannt hatten.
    Zalumma und ich fuhren schweigend nach Hause.
    Warum, hatte ich auf dem Friedhof von ihr wissen wollen, hast du mir das nicht früher gesagt? Warum hast du bis jetzt gewartet?
    Weil ich Eurer Mutter versprechen musste, das Geheimnis vor Euch zu bewahren, hatte sie erwidert und unter dem Druck starker Gefühlsregungen beinahe geschrien. Im Übrigen - Ihr wart so unglücklich im Zusammenleben mit Eurem Vater, es schien zwecklos, Euch noch elender zu machen, bevor Ihr von ihm frei wärt. Ich hatte vor, es Euch an dem Tag zu sagen, an dem Ihr Giuliano geheiratet habt.
    Und jetzt rede ich, weil Ihr es verdient, die Wahrheit über das Kind unter Eurem Herzen zu erfahren.
    Am liebsten hätte ich geweint - aus vielerlei Gründen -, allein, die Tränen blieben mir im Hals stecken, der sich immer weiter zuschnürte. Ich erinnerte mich an Lorenzo, der mir zugeflüstert hatte, Weil ich dich liebe, Kind; meine Mutter fiel mir ein, als sie mir das Medaillon als Glücksbringer schenkte. Jetzt war es nicht mehr da, und ich hatte nichts, was mich an meinen leiblichen Vater oder meinen Gemahl - meinen Vetter - erinnerte.
    Vielleicht hätte ich wütend auf meinen Vater sein sollen - auf Antonio -, weil er meine Mutter geschlagen hatte, als sie mit mir schwanger war. Ich konnte jedoch nur an seine zerstörten Hände denken, seine blutenden Finger, aus denen man die Nägel gerissen hatte. Ich konnte nur an die Worte meines Vaters denken, als ich ging, um dem sterbenden Lorenzo beizustehen:
    Was er dir auch sagt, du bist noch immer meine Tochter.
    Er musste entsetzliche Angst ausgestanden haben, dass ich an jenem Abend die

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