Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
- ein finsterer, ruhiger Mann - und seine verwitwete Schwester, ein farbloses Gespenst namens Caterina, nahmen daran teil. Die drei Brüder meines Bräutigams lebten alle auf dem Land, zu weit entfernt, um so kurzfristig anreisen zu können, obwohl sie Francesco zusicherten, im Juni in die Stadt zu kommen. Von meiner Familie waren noch weniger Angehörige da, denn die Geschwister meines Vaters lebten alle in Chianti und konnten nicht kommen, und meine Mutter hatte zwei Schwestern gleich nach der Geburt verloren, und zwei ältere Schwestern waren an der Pest gestorben. Damit blieb nur mein Onkel Lauro mit seiner Frau Giovanna Maria. Sie brachten zwei ältere Jungen mit, ein Kindermädchen und drei brüllende Kleinkinder. Giovanna Maria war erneut schwanger. Sie hatte ein aufgedunsenes Mondgesicht; Lauro sah hager und erschöpft aus, sein Haar wurde bereits schütter.
Ich hatte darum gebeten, dass wir uns erst später zusammensetzten - zum Abendessen, da mir meistens morgens oder mittags schlecht wurde. Gegen Abend erholte ich mich etwas, und obwohl ich nur wenig zu mir nehmen und den Geruch mancher Gerichte kaum ertragen konnte, war es nicht sehr wahrscheinlich, dass ich mich in Gegenwart von Gästen übergeben würde.
Wahrscheinlicher war, dass ich weinen würde. Der Gedanke, mich auf die nächste Hochzeit vorzubereiten, nachdem ich Giuliano erst vor knapp einem Monat verloren hatte, grämte mich zutiefst. Den ganzen Tag über weinte ich. Als meine neuen Verwandten mit der Abenddämmerung eintrafen, begrüßte ich sie mit einem leeren Lächeln und roten, verquollenen Augen.
Mein Vater hatte Verständnis. Er hatte sich inzwischen vollständig erholt und dank Francescos Intervention und Empfehlung sein Geschäft wieder in Gang gebracht. Die Ironie wollte es, dass er seine Wollwaren nun an Mitglieder der zurückgekehrten Pazzi-Familie verkaufte.
Entschlossen und ernsthaft hakte er sich bei mir unter und stand neben mir, als wir unsere Gäste willkommen hießen. Bei Tisch saß er neben mir, wie meine Mutter es getan hätte, und beantwortete Fragen, die an mich gestellt wurden, wenn ich zu überwältigt war, um etwas zu erwidern. Als ich einmal aufstand und in die Küche eilte -nachdem Francescos Vater gefragt hatte, aus welchen Blüten die Girlande bestehen sollte, die er über die Straße legen würde -, kam mein Vater hinter mir her. Als er dann sah, wie ich mir die Tränen abtupfte, schloss er mich in die Arme und küsste mein Haar, was mich erst recht in Tränen ausbrechen ließ. Er dachte, ich weinte nur um meinen toten Gemahl; er merkte nicht, dass ich auch um mich selbst weinte, denn das Schreckliche stand mir noch bevor.
Ich hatte darauf bestanden, dass für die Gerichte kein Salbei verwendet wurde, und mir war es gelungen, ein wenig zu essen und etwas Wein zu trinken, als die Trinksprüche kamen. Gegen Ende des Mahls, als die Teller abgeräumt wurden, war ich heiser von meinen lauten Antworten für Francescos schwerhörigen Vater.
Nun begann das Gespräch über das Kleid. Francesco stellte eine Skizze seiner Idee vor: ein Gewand mit hoch angesetzter Taille und quadratischem Mieder. Den Ärmeln fehlte die übliche Glockenform; sie waren schmal und eng geschnitten und betonten die camicia, die durch verschiedene Schlitze gezogen und auffällig gepufft wurde. Der Ausschnitt war ziemlich weit, sodass von der camicia auch dort recht viel zu sehen war.
Das überraschte mich. Mein zukünftiger Gemahl war vermutlich ein strammer piagnone, hatte mir aber gerade ein Muster nach neuester spanischer Mode vorgelegt, frisch vom dekadenten Papsthof der Borgias.
Francesco, der auf der anderen Seite neben mir saß, legte ein Bündel Stoffmuster auf den Tisch. Obenauf lagen silbrig glänzender Damast und eine hauchzarte, rot-gelbe cangiante, »mit Granaten und Perlen als Haarschmuck, wenn du willst«.
Weder die Farben noch die Edelsteine passten zu mir. »Ah!«, sagte er. »Sie ist zurückhaltend! Das ist es dann wohl nicht.« Sogleich faltete er den Stoff zusammen und legte ihn beiseite.
Das ärgerte seinen Vater. »Es steht ihr nicht an, auszuwählen.«
»Vater«, sagte Caterina scharf. »Francesco ist hier, um sich die Meinung aller anzuhören.«
Giovanna meldete sich zu Wort. »Etwas Frisches, wie Frühlingsblüten, oder die zarten Blumen des Frühsommers?«, fragte sie. »Rosa und Weiß. Samt und Satin, mit Staubperlen.«
»Sie hat olivfarbene Haut«, entgegnete Caterina. »Blasse Perlen machen sie
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