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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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winziger Körper - er sieht aus wie ein Dreikäsehoch. Ein Kleinkind mit Schuhen wie Pferdehufe, ich weiß auch nicht, was mit seinen Füßen nicht stimmt.
    Er war so komisch. Alle Welt wartete darauf, dass Karl oder die Prioren etwas sagen würden, und mitten in die Stille hinein rief ein kleines Mädchen neben mir: >Ist der aber klein!< Die Leute um mich herum fingen an zu lachen
    - wenn auch nicht allzu laut. Hat keinen Zweck, Ärger zu machen.
    Das ist also der Mann, der uns die ganze Zeit über in Todesangst versetzt hat. Ein kleiner Mann. Und die Signo-ria hat ihn auf Latein angeredet - er hat kein Wort verstanden! Einer seiner Begleiter musste jedes Wort ins Französische übersetzen.
    Und wisst ihr, was ein Mann aus der Menge mir erzählte? Ein gebildeter Patrizier, sehr intelligent. Er sagte - ganz leise natürlich, weil man heutzutage ja nie weiß, wer zuhört -, Karl wolle Neapel erobern, weil er gehört habe, dass man dort gut auf die Jagd gehen kann und das Wetter immer schön ist, und er geht so gern jagen. Dann habe er Wind bekommen von dem, was Savonarola über ihn sagte, und sich gedacht, er könne gut einen kleinen Ausflug in den Süden unternehmen.«
    Zalumma faszinierten diese Geschichten, doch ich wandte mich ab und ging wieder ans Bett meines Vaters. Ich wollte nicht hören, dass Karl ein Hanswurst war, der in die Toskana hineingestolpert war, der aus lächerlichen Gründen den Tod meines Mannes und den Niedergang der Familie Medici verursacht hatte.
    Ich erlaubte mir nicht, an etwas anderes als an meinen Vater zu denken. Er war jetzt alles, was ich noch hatte, außer Zalumma. Sonst war mir nichts geblieben.
    Ich fürchtete wirklich, mein Vater würde sterben. Es gab Nächte, in denen er mit den Zähnen klapperte und so heftig zitterte, dass ich zu ihm ins Bett kroch und ihn festhielt in der Hoffnung, meine Körperwärme würde ihn besänftigen. Ich schlief in seinem Zimmer und gab das meine auf.
    Allmählich ging es ihm besser, obwohl sein rechter Daumen und Zeigefinger missgestaltet blieben; statt der Fingernägel hatte sich dunkler Schorf gebildet.
    Zalumma verfolgte mich wie ein Gespenst. Ihrer Gegenwart war ich mir nur am Rande bewusst, während sie sich um meinen Schlafmangel sorgte, darum, dass ich zu wenig aß und nichts anderem nachging als der Pflege meines Vaters. Sie war die Einzige, der ich von Giulianos Tod erzählte. Die Prioren setzten die Öffentlichkeit davon nicht in Kenntnis, damit die Gräber vor den Stadtmauern in der Stimmung gegen die Medici, welche die Stadt ergriffen hatte, nicht ausgehoben wurden.
    Damals waren zwei französische Soldaten in unserem Palazzo untergebracht; die Signoria hatte darauf bestanden, dass die wohlhabenden Familien Karls Soldaten beherbergten und versorgten. Ich ging zu der Zeit nicht mehr auf den Markt oder in die Stadt und sah daher nur wenig von ihnen. Nur bei seltenen Gelegenheiten erhaschte ich einen Blick auf unsere Hausgäste aus den Fenstern meines Vaters oder im Vorbeigehen, wenn ich den Raum verlassen musste.
    Hin und wieder sah ich sie auch, wenn Ser Francesco uns besuchte. In jenen ersten Tagen, als die Stadt in Aufruhr und mein Vater ernsthaft krank war, kam er nicht sehr oft. Doch als klar wurde, dass mein Vater überleben würde, erschien Ser Francesco, um seine Aufwartung zu machen. Ich muss zugeben, dass ich innerlich kochte, wenn mein Vater ihn mit matter Herzlichkeit willkommen hieß.
    Ich rief mir aber ins Gedächtnis, dass mein Vater den Mann anlächelte, der ihm das Leben gerettet hatte. Außerdem unterstützte uns Ser Francesco: Die bottega meines Vaters war niedergebrannt worden, seine Wollstoffe gestohlen oder in Flammen aufgegangen; unser Palazzo war verwüstet. Die Möbel aus dem Erdgeschoss, unsere Kleidung, Vorhänge, Gobelins und Laken waren allesamt verbrannt. Ser Francesco ließ die besten Nahrungsmittel in unsere Küche bringen, veranlasste den Apotheker, Salben und Zutaten für Umschläge zu liefern, bestellte den Barbier, damit er die Wunden meines Vaters aufstach, und schickte seinen eigenen Arzt, um Blutegel anzulegen. Das alles machte er, ohne darum zu bitten, mit mir allein zu sein - tatsächlich verwies er auch nie auf unseren Handel. Das eine Mal, als es ihm gelang, unter vier Augen mit mir zu reden, während ich ihn zum Gemach meines Vaters führte, sagte er mit leiser Stimme, damit mein Vater es nicht hörte:
    »Ich habe Geld in Zalummas Obhut gegeben, damit die Möbel und andere Dinge ersetzt werden,

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