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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Wahrheit erfahren könnte; und dennoch hatte er mich gehen lassen.
    Als wir nach Hause kamen, begab ich mich sofort in meine Gemächer und ging auch zum Abendessen nicht mehr hinunter; ich hätte ohnehin nichts essen können. Zalumma brachte mir Brot und Salz, damit sich mein Magen beruhigte.
    Wir redeten immer noch nicht. Meine Gedanken überschlugen sich, während sie die Vergangenheit neu auslegten, und Zalumma konnte es offenbar nachfühlen. Ich blies die Laterne aus und legte mich auf mein Bett, doch meine Augen blieben offen. Eine Stunde, zwei, drei starrte ich nur in die Dunkelheit.
    Dann richtete ich mich abrupt auf; mein Herz raste. Ich dachte an die Tuschezeichnung von Bernardo Baroncelli; plötzlich begriff ich, warum Leonardo sie mir geschickt hatte. Und mir fielen die letzten Worte ein, die ich aus dem Munde meines Gemahls vernommen hatte.
    Leonardo. Leonardo hat ihn gesehen ... Mein Onkel ist in seinen Armen gestorben.
    Leonardo hat ihn gesehen: den Mann, der meinen leiblichen Vater, Giuliano, umgebracht hat. Den Mann, den der sterbende Lorenzo den »dritten Mann« genannt hat. Für meinen Vater und für mich wollte ich Rache.
    An Leonardo da Vinci am Hofe Ludovico Sforzas, des Herzogs von Mailand:
    Ser Leonardo,
    ich schreibe Euch, weil ich kürzlich von einer gewissen Tatsache Kenntnis erlangt habe - über mich, besonders was die Beziehung meiner Mutter zu Lorenzo de' Medi-cis ermordetem Bruder, Giuliano dem Älteren, betrifft. Ich glaube aufgrund Eures Verhaltens an dem Abend, als wir im Hof der Medici waren, dass besagte Tatsache Euch schon längst bekannt ist.
    Verzeiht mir meine Kühnheit, aber ich denke, ich kann
    Euch als einem Freund vertrauen. Giuliano hat mir erzählt, Ihr wärt am Tag des Anschlags im Duomo gewesen und in Kenntnisse eingeweiht - besonders in Bezug auf die Identität eines Mannes, der an jenem Tag ebenfalls in der Kathedrale war. Soweit ich weiß, ist dieser Mann nie gefunden worden.
    Er ist jetzt für mich von besonderem Interesse. Bitte, Ser Leonardo, würdet Ihr mir bitte alles erzählen, was Ihr über ihn wisst? Wenn Ihr ihn beschreiben oder sogar aus dem Gedächtnis eine Skizze von ihm anfertigen könntet, wäre ich sehr dankbar.
    Wenn er noch atmet, bin ich fest entschlossen, ihn zu finden. Mein Leben hat ansonsten nicht mehr viel Sinn. Möge Gott Euch Gesundheit und Wohlergehen schenken,
    Lisa di Antonio Gherardini
    Via Maggio
    Santo Spirito, Florenz

52
    Den Brief schrieb ich im Morgengrauen. Kaum dass ich ihn Zalumma ausgehändigt hatte, wartete ich auch schon ungeduldig auf eine Antwort und hoffte verzweifelt, dass mein Brief nicht konfisziert würde, da er sich auf die Medici bezog.
    An jenem Morgen zwang ich mich, einer sehr unerfreulichen Tatsache ins Auge zu sehen: Francesco und mein Vater hatten die Hochzeit für Juni angesetzt. Mein zukünftiger Gemahl bestand darauf, ich solle ein richtiges Hochzeitskleid nach seinem Entwurf tragen, und Zalumma und ich sollten etwas Zeit haben, mein neuer cassone, meine Hochzeitstruhe, mit neuen Kleidern und neuer, von uns bestickter Wäsche wieder aufzufüllen. Mein alter cassone war mitsamt ihrem Inhalt verbrannt.
    Im Übrigen wollte Francesco mir eine traditionelle Hochzeit ausrichten, als wäre ich eine jungfräuliche Braut
    - so als hätte es Giuliano nie gegeben, als hätte ich mich nie von meinem Vaterhaus davongestohlen, um bei ihm zu sein. Der Sommer war die bevorzugte Jahreszeit für Hochzeiten, da das Wetter für die langsame Brautprozession durch die Stadt am beständigsten war, vor allem da die Mädchen von ihren Familien zu Fuß begleitet wurden.
    Allerdings war nicht zu leugnen, dass ich im Juni, wenn ich auf einem weißen Brautpferd säße, im sechsten Monat schwanger wäre. Francesco würde wissen, dass ich ihn angelogen hatte, als ich sagte, ich sei Jungfrau geblieben. Schlimmer noch, er würde wissen, dass es Giulianos Kind war; wenn eine Witwe wieder heiratete, waren ihre Kinder im Haus des neuen Mannes oft unerwünscht. Und den Gedanken, mich von Giulianos Kind trennen zu müssen, konnte ich nicht ertragen.
    Ich wusste, es gab nur eine Lösung: Francesco davon zu überzeugen, das Kind sei von ihm. Und um das zu bewerkstelligen, kannte ich nur diesen einen schrecklichen Weg.
    Ein Tag verging, ehe sich mir eine Gelegenheit bot.
    Im Hause meines Vaters wurde eine traditionelle Familienzusammenkunft abgehalten, um mein Hochzeitskleid in allen Einzelheiten zu besprechen. Francescos betagter Vater, Ser Massimo

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