Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis
Breve des Papstes im vergangenen Jahr, das dazu aufrief, Fra Girolamo das Predigen zu untersagen?«
»Ja«, erwiderte mein Vater ohne Begeisterung. Savona-rolas Gottesdienste hatten trotz des Befehls weiterhin stattgefunden. Es gab Stimmen, die bereits von Exkommunikation sprachen.
»Seine Heiligkeit hat nach gründlicher Überprüfung der Angelegenheit erkannt, dass dieses Ersuchen ungerecht ist. Heute hat die Signoria die Nachricht von ihm erhalten, Fra Girolamo könne weiter predigen, solange er keine vernichtende Kritik an Rom übe, vor allem nicht am Heiligen Stuhl.« Francesco strahlte, lehnte sich zurück und trank einen großen Schluck Wein.
Ich hörte gut zu, wahrte aber nach außen hin die höfliche, wenn auch desinteressierte Fassade. Insgeheim fragte ich mich, ob Francesco das tatsächlich in der Signoria erfahren hatte oder von seinem mysteriösen Brieffreund. Ich beschloss, noch am selben Abend wenn möglich den Schreibtisch zu durchsuchen.
»Nun«, sagte mein Vater, »es ist schon recht, wenn er Rom nicht vergrätzt. Das Volk fing bereits an, sich Sorgen zu machen.«
»Solche Ängste sind unbegründet«, sagte Francesco. »Und die Leute vergessen nur zu schnell, was Fra Girolamo für Florenz getan hat. Karl hätte die Stadt womöglich dem Erdboden gleichgemacht, wenn der Mönch nicht vermittelt hätte.«
Mein Vater nickte schwach und schaute dann geistesabwesend ins Feuer.
»Aber was ist mit dem Gerücht«, hob ich mit gespielter Unschuld an, »vor langer Zeit sei ein Brief auf dem Weg nach Frankreich abgefangen worden . von Fra Girolamo an König Karl?«
Mein Gemahl wandte sich mir abrupt zu. »Woher hast du das?«
»Agrippina sagte, sie habe es zufällig auf dem Markt gehört. Es heißt, der Mönch habe Karl gebeten, nach Italien zu kommen, damit Florenz seine Prophezeiungen glaubt.«
»Ich weiß, was geredet wird. Wie kannst du eine so offensichtliche Lüge wiederholen?«
»Ich habe es erwähnt, weil ich wusste, dass du die Wahrheit kennst«, sagte ich so aalglatt, dass ich mich selbst wundern musste. »Ich habe auch gehört, der Papst denke daran, die Heilige Liga zu verlassen.« Papst Alexander hatte die Liga ins Leben gerufen - die von Neapel, Mailand und dem Heiligen Römischen Kaiser unterstützt wurde -, um Karl aus Italien zu vertreiben. Savonarola war natürlich dagegen, doch Florenz hatte sich dem Druck des Papstes gebeugt und der Liga angeschlossen.
Das besänftigte Francesco. »Das hatte ich nicht gehört.
Es ist gut möglich. Für uns wären diese Nachrichten gut.« Er zögerte, trank noch einen Schluck Wein und warf meinem Vater einen verschlagenen Blick zu. »Ser Antonio«, sagte er. »Ich dachte mir, es ist höchste Zeit, dass Ihr Euch an einem zweiten Enkel erfreut.« Sein Blick flatterte kurz zu mir, bevor er in seinen Kelch schmunzelte. »Ich bin kein junger Mann mehr. Ich brauche Söhne, die das Familiengeschäft einmal übernehmen. Was meint Ihr?«
Angewidert schlug ich die Augen nieder und starrte in meinen Kelch. Am liebsten hätte ich mich in dem Wein ertränkt.
»Ich meine«, antwortete mein Vater bedächtig, »dass ich mit nur einem Kind gesegnet wurde, und mir hat nie etwas gefehlt. Ich bin sehr stolz auf meine Tochter.«
»Ja, das sind wir alle«, erwiderte Francesco hastig; seine überbordende gute Laune war nicht zu dämpfen. »Und natürlich ist es nicht richtig, wenn ich solche Dinge anspreche, ohne zuerst mit meiner geliebten Gemahlin geredet zu haben.« Er trank seinen Weinkelch leer und verlangte Nachschub; dann wechselte er abrupt das Thema und kam auf die Folgen des schlechten Wetters zu sprechen.
»Die Preise werden steigen«, sagte mein Vater. »Das war schon einmal so, als ich noch ein Kind war. Wenn der Regen nicht aufhört, werden wir kein Getreide ernten. Und wenn das passiert, werden die Hungernden einen Aufruhr anzetteln, das garantiere ich Euch.«
»Wir müssen uns keine Sorgen machen«, sagte Francesco mit fester Stimme. »Gott lächelt auf Florenz herab. Der Regen hört auf.«
Meinen Vater ließ das unbeeindruckt. »Und wenn nicht?
Wenn kein Getreide da ist? Savonarola täte gut daran, Fürsprache einzulegen, falls die Sonne wieder auf uns herabscheinen soll.«
Francescos Lächeln verblasste ein wenig; argwöhnisch schaute er meinen Vater an. »Das wird sie, Ser Antonio. Ich verspreche es Euch.«
» Ein e Flut bringt die Pest mit sich«, sagte mein Vater. »Hunger bringt die Pest. Ich habe das schon einmal erlebt ...«
Bei dem
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