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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Schutzheiligen unserer Familie brannten: ein Wolle tragender Johannes der Täufer zu Ehren von Florenz; eine Jungfrau der Lilie - Santa Maria del Fiore -, die Lieblingsheilige meiner Mutter, nach der man den Duomo benannt hatte; ein heiliger Antonius, der Namensvetter meines Vaters, der das Christkind in den Armen hielt.
    Die meisten Kapellen florentinischer Familien waren mit großformatigen Wandgemälden verziert, die häufig Familienmitglieder als Heilige oder Madonnen darstellten. Unserer Kapelle fehlte diese Zierde, bis auf die Gemälde der drei Heiligen. Unser prächtigster Schmuck hing über dem Altar: eine große Holzstatue des Gekreuzigten. Seine Miene war ebenso gequält und düster wie die der gealterten, bußfertigen Magdalena in der Taufkapelle des Duomo.
    Als ich eintrat, vernahm ich leise, gedämpfte Klagelaute. Ich hob die Lampe in die Richtung, aus der das Geräusch kam, und sah eine Gestalt vor dem Altargeländer knien. Mein Vater betete mit ernster Miene, seine Stirn fest an die Knöchel der gefalteten Hände gepresst.
    Ich kniete mich neben ihn. Er wandte sich mir zu, und die unvergossenen Tränen in seinen bernsteinfarbenen Augen spiegelten das Licht der Lampe wider.
    »Tochter, vergib mir«, sagte er.
    »Nein«, entgegnete ich. »Du musst mir verzeihen. Ich habe dich geschlagen - schrecklich, wenn ein Kind seinem Vater das antut.«
    »Und ich habe dich grundlos geschlagen. Du hast nur deine Mutter schützen wollen. Das war auch meine Absicht, aber ich habe unwillkürlich genau das Gegenteil gemacht. Ich bin der Ältere und sollte daher klüger sein.« Er schaute zum leidenden Christus auf. »Nach all den Jahren hätte ich lernen sollen, mich zu beherrschen ...«
    Ich wollte ihn von seinen Selbstzweifeln erlösen, legte ihm eine Hand auf den Arm und sagte leichthin: »Dann habe ich also mein aufbrausendes Temperament von dir geerbt.«
    Er seufzte und fuhr mir mit dem Daumen sanft über die Wange. »Armes Kind. Das ist nicht deine Schuld.«
    Noch immer auf Knien umarmten wir uns. Ausgerechnet in diesem Moment rutschte das vergessene Medaillon aus meinem Gürtel. Es fiel klirrend auf den Marmorboden, beschrieb einen perfekten Kreis und blieb dann auf der Seite liegen.
    Sein Auftauchen brachte mich in Verlegenheit. Neugierig langte mein Vater nach der Münze, hob sie hoch und betrachtete sie eingehend - dann wurden seine Augen schmal, und er zog den Kopf leicht zurück, als wäre er von einem Schlag bedroht. Nach einer Weile ergriff er das Wort.
    »Verstehst du«, sagte er leise und mit weicher Stimme, »das hier ist die Folge von Wut. Furchtbare Gewalttaten.«
    »Ja«, stimmte ich ihm zu, eifrig darauf bedacht, die Unterhaltung zu beenden und zum wärmeren Gefühl der Versöhnung zurückzukehren. »Mutter hat mir vom Mord im Duomo erzählt. Das war schrecklich.«
    »Ja. Für Mord gibt es keine Entschuldigung, ungeachtet der Provokation. Solche Gewalt ist abscheulich, ein Gräuel in Gottes Augen.« Das Goldstück, das er noch immer in die Höhe hielt, fing das schwache Licht ein und glitzerte. »Hat sie dir auch die andere Seite geschildert?«
    Vergeblich versuchte ich ihn zu verstehen; zuerst dachte ich, er beziehe sich auf die Münze. »Die andere Seite?«
    »Lorenzo. Seine Liebe zu seinem Bruder trieb ihn in den Tagen danach in den Wahnsinn.« Er schloss die Augen und rief sich die Ereignisse ins Gedächtnis. »Achtzig Männer in fünf Tagen. Ein paar waren schuldig, doch die meisten hatten einfach nur das Pech, die falschen Verwandten zu haben. Sie wurden gnadenlos gefoltert, gestreckt und gevierteilt, ihre zerstückelten, blutigen Leichen wurden aus den Fenstern des Palazzo della Signoria geworfen. Und was sie der Leiche des armen Messer Iacopo angetan haben .« Ein Schauer überlief ihn. Er war so entsetzt, dass er den Gedanken nicht zu Ende führte. »Alles vergeblich, denn auch ein Fluss aus Blut konnte Giuliano nicht wieder zum Leben erwecken.« Er schlug die Augen auf und sah mich scharf an. »Du hast einen rachsüchtigen Zug an dir, Kind. Denke an meine Worte: Rache führt zu nichts Gutem. Bete zu Gott, dass er dich davor bewahrt.« Er drückte mir die kalte Münze in die Hand. »Wenn du sie betrachtest, dann denke immer daran, was ich dir gesagt habe.«
    Ich schlug die Augen nieder und nahm den Rat folgsam an, während meine Hand sich rasch über meinem Schatz schloss. »Ja.«
    Zu meiner Erleichterung erhob er sich schließlich. Ich folgte seinem Beispiel.
    »Hast du gegessen?«, fragte

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