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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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Boden zu drücken, doch meine Mutter stand fest wie ein Fels. Ihre Stimme wurde tiefer und wechselte den Klang, bis ich sie nicht mehr erkannte.
    »Hört!« Aus ihren Worten sprach eine Autorität, die das Jammern rundum verstummen ließ. »Flammen werden ihn verschlingen, bis seine Gliedmaßen einzeln abfallen, in die Hölle! Fünf Männer ohne Kopf werden ihn zu Fall bringen!«
17
    Meine Mutter fiel schwer gegen mich. Ich knickte unter ihrem Gewicht ein und stieß dabei mit meinem Vater zusammen. Ich erhaschte einen flüchtigen Blick auf Pico, der ihn zurückzog, bevor ich auf dem kalten, erbarmungslosen Marmorboden aufschlug. Ich landete auf der Seite und stieß mir zugleich Kopf, Schulter und Hüfte.
    Grüner Samt und weißer Hermelin blitzten auf, die Säume von Frauenröcken und Männerstiefel. Ich vernahm Flüstern, Ausrufe und Zalummas laute Stimme.
    Meine Mutter lag auf mir, ihre Seite auf meine gedrückt. Ihre Gliedmaßen schlugen um sich; ihr Ellenbogen bohrte sich zuckend in meine Rippen. Gleichzeitig knirschten die Zähne meiner Mutter; die Luft, die sie jedes Mal ausstieß, wenn sie den Mund öffnete, pfiff mir in den Ohren. Das Geräusch versetzte mich in Panik. Ich hätte ihr den Kopf festhalten und dafür sorgen sollen, dass sie sich nicht die Zunge abbiss oder sich anderweitig verletzte.
    Plötzlich wurden Zalummas laute Kommandos verständlich. »Packt sie an den Armen! Zieht sie hervor!«
    Starke Hände umfassten meine Handgelenke und hoben mir die Arme über den Kopf. Man rollte mich auf den Rücken. Der Kopf meiner Mutter fiel auf meine Brust; durch ihre Zähne pfiff Luft, dann klappten sie fest zusammen. Die ganze Zeit schlugen ihre Arme und Beine auf mich ein; ihre Hand wischte an meinem Kinn vorbei und nahm unter dem Fingernagel ein Stück Fleisch mit.
    Zu meinen Füßen, für mich nicht zu sehen, brüllte Za-lumma: »Zieht sie hervor!«
    Mein Vater reagierte sofort. Mit unheimlicher Kraft packte er meine nach oben gereckten Arme und zog mich unter dem sich windenden Körper meiner Mutter hervor. Bei dieser Bewegung fuhr mir ein durchdringender Schmerz in die Rippen.
    In dem Augenblick jedoch, als ich frei war, hatte ich ihn auch schon vergessen. Ich bedankte mich bei meinem Vater nicht für seine Hilfe; stattdessen kniete ich mich mühsam hin und wandte mich meiner Not leidenden Mutter zu. Zalumma war bereits vorgekrochen und legte sich mit ihrem ganzen Gewicht auf die tretenden Beine ihrer Herrin.
    Ich fand den pelzigen Rand des Capes meiner Mutter und stopfte ihn zwischen ihre knirschenden Zähne. Meine Intervention kam zu spät: Sie hatte sich die Zunge durchgebissen, was zur Folge hatte, dass ihre Lippen, die Zähne, die Wange und das Kinn blutverschmiert waren; der weiße Hermelin um ihr Gesicht hatte rote Spritzer abbekommen. Obwohl ich ihr den Kopf festhielt, zuckte er so heftig zwischen meinen Händen, dass ihre Haube herunterfiel. Kurz darauf waren meine Finger in ihrem weichen, dunklen Haar verflochten; die Locken, die Zalumma zuvor sorgfältig arrangiert hatte, lösten sich in Strähnen auf.
    »Es ist der Teufel!« Ein Mann trat vor - jung, rothaarig, mit pockennarbiger Haut; ich erkannte in ihm den Priester aus Santa Maria del Fiore. »Das habe ich bei ihr schon einmal erlebt, im Duomo. Sie ist besessen; das Böse in ihr erträgt es im Hause Gottes nicht, aufrecht zu stehen.«
    Ringsum entstand ein Raunen, das zu einem grollenden Donner anschwoll, bis Savonarola über unseren Köpfen ausrief: »Ruhe!«
    Alle schauten zu ihm auf. Angesichts seines derart kränkenden Auftritts hatte er die Augenbrauen vor Empörung finster zusammengezogen. Der rothaarige Priester trat zurück und verschwand in der Menge; die anderen begaben sich schweigend und gefügig wieder an ihre Plätze.
    »Der Böse wünscht sich nichts sehnlicher, als die Welt des Herrn zu stören«, hob Fra Girolamo an. »Wir dürfen uns nicht ablenken lassen. Gott wird sich durchsetzen.«
    Er hätte noch mehr gesagt, doch mein Vater trat auf die Kanzel zu. Den Blick fest auf den Mönch gerichtet, deutete er mit dem Arm auf seine geplagte Frau und rief verzweifelt und mit wehleidiger Stimme: »Fra Girolamo, hilf ihr! Heile sie!«
    Ich hielt den Kopf meiner Mutter noch immer fest, beobachtete aber wie alle anderen mit angehaltenem Atem den Prior von San Marco.
    Sein finsterer Blick wurde milder; seine Augen flackerten kurz vor Unsicherheit, bevor sein Sinn für vollkommene Autorität wiederkehrte. »Gott wird ihr helfen,

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