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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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losgehen.
    Domenicos Blick flackerte. Schließlich schaute er zu Boden, wandte sich ab und tappte davon. Fra Marciano blieb bei uns, offenbar in der Hoffnung, uns Trost oder Hilfe zu spenden, soweit es ihm möglich war.
    Schon auf dem Weg in die Sakristei war der Anfall meiner Mutter vorüber gewesen. Nun, da sie wie betäubt und völlig entkräftet dalag, zog mein Vater seinen roten Umhang ab und deckte sie damit zu. Graf Pico legte ihm eine Hand auf die Schulter.
    Mein Vater versuchte sie abzuschütteln. »Wie konnte Gott so etwas zulassen?« Er klang verbittert. »Und warum hat Fra Girolamo sie in die Hände dieses Tiers gegeben?«
    Pico sprach leise, wenn auch mit eigenartig hartem Unterton. »Fra Domenico ist immer an Fra Girolamos Seite; Ihr wisst das auch, Antonio. Vielleicht hat Gott Madonna Lucrezia diese Unwürdigkeit erleiden lassen, damit ER sie umso größer wieder aufstehen lassen kann. Ihre Heilung wird für alle ein wunderbares Zeugnis sein. Habt Vertrauen. Glaubt an Gottes Größe. ER hat uns nicht bis hierher geführt, um uns dann zu enttäuschen.«
    »Ich bete darum«, sagte mein Vater. Er schlug die Hände vor die Augen. »Ich kann es nicht ertragen, sie so zu sehen. Wenn sie erfährt, was passiert ist ... die Scham wird sie nicht ertragen.«
    Er schob die Hände auseinander und schaute auf meine schlafende Mutter, die so blass und fahl war, dass ihre Gesichtszüge wie aus Wachs geformt schienen - Wachs, verschmiert und befleckt mit eintrocknendem Blut. Zärtlich strich er eine aufgelöste Locke aus ihrer Stirn; dabei warf ich zufällig einen kurzen Blick auf Zalumma, die ihm gegenüberstand.
    Der offene Hass in ihren Zügen erstaunte mich. Das übertraf bei weitem das einer Sklavin angemessene Verhalten, doch ich verstand sie. Sie liebte meine Mutter wie eine Schwester und verachtete meinen Vater mit derselben Inbrunst. Bisher allerdings hatte sie ihre Gefühle ihm gegenüber stets verborgen.
    Ich war zutiefst beunruhigt. Vor einiger Zeit hatte ich meine Sorgen über die Ursache der Anfälle meiner Mutter ad acta gelegt. Zalummas Erzählung über ihren Bruder und seine Kopfverletzung hatte mich schließlich davon überzeugt, dass die Krankheit meiner Mutter eine natürliche Ursache hatte. Jetzt, nach ihrer schrecklichen Äußerung gegenüber Savonarola, war ich mir nicht mehr so sicher. Konnte eine so freundliche und fromme Seele wie die meiner Mutter ein Werkzeug des Bösen sein?
    Eine Viertelstunde wartete unsere unglückliche Gruppe in der unbeheizten Sakristei. Ich schlang meinen Umhang fest um mich, doch ohne Erfolg. Der Schweiß nach der Anstrengung kurz zuvor ließ mich frösteln; mein Atem kondensierte und gefror auf dem Wollstoff zu Eis. Meine arme Mutter zitterte in ihrer Benommenheit trotz des Umhangs meines Vaters und des Fells, auf dem sie lag.
    Schließlich ging die schwere Tür mit lautem Quietschen auf; wir drehten uns um. Savonarola erschien auf der Schwelle neben dem stämmigen Fra Domenico und sah viel kleiner aus als auf der Kanzel.
    Mein Vater trat neben meine Mutter und legte ihr eine Hand auf den Arm. Sein Ausdruck war hart; er starrte Fra Domenico an, während er Savonarola anredete. »Den brauchen wir hier nicht.« Dabei deutete er mit dem Kinn auf Domenico.
    »Er ist meine rechte Hand«, sagte Fra Girolamo. »Wenn er nicht eintritt, dann komme ich auch nicht.«
    Mein Vater blinzelte und schaute niedergeschlagen zu Boden. Die beiden Mönche traten ein; Domenico war auf der Hut.
    Gleich hinter ihnen tauchte der rothaarige, pockennarbige Priester aus dem Duomo im Türrahmen auf.
    »Gewiss hat Gott Euch nach Florenz geschickt, Fra Giro-lamo!«, rief er einschmeichelnd. »Tagtäglich bringt Ihr zahllose Sünder zur Buße. Ihr seid die Rettung für diese Stadt!«
    Fra Girolamo hatte sichtlich Mühe, sich durch diese Beweihräucherung nicht beeinflussen zu lassen. Er hatte Gesicht und Blick leicht abgewandt im ernsthaften Bemühen, bescheiden zu bleiben, doch offenbar gefiel ihm das Loblied auf ihn. Mit seiner nasalen, hohen Stimme entgegnete er: »Der Herr ist es, der Florenz retten wird, nicht ich. Konzentriere deine Hingabe auf Gott, nicht auf einen Menschen.« Nach einer kurzen Pause sagte er mit fester Stimme: »Ich habe mich jetzt um andere Dinge zu kümmern.«
    Letzteres zielte darauf ab, den Priester zu entlassen, der nun den Eingang zur Sakristei blockierte, als wäre er nicht bereit, den Mönch vorbeizulassen, wenn er nicht einen Segen spendete. Doch statt zu gehen,

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