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Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis

Titel: Kalogridis, Jeanne - Leonardos Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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-, waren mitfühlend und klug, und sie haben ihn sehr angerührt. Keine Tochter hätte liebevoller sein oder größeren Trost spenden können.
    Nur wenige Menschen haben Vaters wahre Gefühle in Betracht gezogen, obwohl er, selbst in seinen letzten Augenblicken noch, nur an andere dachte. Als er wusste, dass er sterben würde, hat er seine engsten Freunde zu sich gerufen und sich die größte Mühe gegeben, sie zu trösten, statt sich von ihnen trösten zu lassen. Er war sogar so gnädig, Giovanni Pico zu gestatten, den Mönch Savonarola in sein Schlafgemach zu bringen. Der Herr möge mir verzeihen, aber ich kann diesen Mönch nur hassen, der meinen Vater wegen seiner guten Taten schlechtmacht. Vielen Künstlern als Mäzen zu dienen, die Platonische Akademie zu unterstützen, die Armen mit Zirkusveranstaltungen und Paraden zu unterhalten - all das seien heidnische Dinge, sagte Savonarola, und dafür würde mein Vater in der Hölle schmoren, bis er Buße getan habe. Hätte ich gewusst, dass er so etwas sagen wollte, hätte ich ihm die Audienz niemals erlaubt.
    Der hässliche kleine Mönch wiederholte seine schrecklichen Anschuldigungen und flehte meinen Vater an: »Tuet Buße für all das Blut, das Ihr vergossen habt!« Daraufhin drehte mein Vater das Gesicht zur Wand. Nur auf mein Drängen und das mehrerer Wachen waren wir in der Lage, den Mönch erfolgreich aus seiner Gegenwart zu entfernen. Wie hat er so grausam sein können, meinen Vater einen Mörder zu nennen - meinen Vater, der nie eine Waffe gegen einen anderen erhoben hat, außer in Notwehr?
    Fra Girolamo wandte sich dann mir zu und sagte: »Ihr tätet klug daran, zu büßen und auf die Knie zu fallen, denn Eure Arroganz - und die Eurer Brüder - wird Euch ohnehin bald dorthin bringen.«
    In diesem Augenblick rief mein Vater nach mir, sodass ich an seine Seite eilte. Er redete inzwischen wirr. Immer wieder stellte er dieselbe Frage: »Bitte!«, sagte er. »Bitte, bitte sag mir - wo ist er?« Ich antwortete, ich verstünde nicht, wen er meinte, wenn er mir jedoch den Namen sagte, würde ich den Mann sofort an sein Bett führen, er aber stöhnte nur und sagte: » Ach, Giuliano, nach all den Jahren enttäusche ich dich!«
    Bald darauf ging es ihm schlechter, und die Arzte versuchten ihm eine andere Arznei zu verabreichen, die er allerdings nicht schlucken konnte. Er döste unruhig und wachte desorientiert und viel schwächer wieder auf. Er rief oft nach mir, ließ sich aber durch meine Gegenwart nicht trösten, wenn ich ihm die Hand hielt und ihn zu besänftigen versuchte. Dann wurde er ganz still, bis sein mühsames Röcheln das einzige Geräusch im Raum war; es war, als lausche er auf etwas.
    Nach geraumer Zeit schien er etwas zu hören, denn er lächelte und flüsterte mit großer Freude: »Giuliano ... Du bist es. Gott sei Dank, du hast es ans Ufer geschafft.«
    Kurz darauf verschied er.
    Mich treibt nun ein Verdacht um, der mir keine Ruhe lässt. Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass die Heiltränke, die der Arzt meinem Vater in seinen letzten Monaten verabreicht hat, seinen Gesundheitszustand wesentlich verschlechtert haben.
    Glaube mir, dass meine Gedanken nicht einfach von meinem Kummer genährt sind; ich vermute eine Verschwörung, um den Tod meines Vaters zu beschleunigen - vielleicht sogar, um ihn herbeizuführen. Meine Meinung wird durch die Tatsache gestützt, dass der Leibarzt meines Vaters, Pier Leone, zwei Tage nach dem Tod meines Vaters ertrunken in einem Brunnen aufgefunden wurde. Selbstmord, heißt es, aus Entsetzen über den Tod seines Patienten.
    Die Signoria hat eine besondere Abstimmung durchgeführt, die es meinem Bruder Piero erlaubt, die Rechte und Pflichten unseres Vaters zu übernehmen, obwohl er erst zwanzig ist. Er ist zurzeit schrecklich zerstreut und unsicher, daher kann ich ihn noch nicht mit Heiratsangelegenheiten behelligen. Ich muss ihm jetzt eine Stütze sein und darf ihn nicht ablenken.
    Mein Kummer ist noch verstärkt, weil ich auf der Beisetzung meines Vaters nicht mit Dir reden konnte und weil ich Dich an jenem Abend in San Lorenzo nicht treffen konnte.
    Es wäre klug, diesen Brief zu verbrennen; wenn wir Feinde haben, möchte ich nicht, dass Du jemals in ihr Visier gerätst.
    Du sollst wissen, dass ich dich immer liebe. Ich versichere Dir, dass ich mich im ersten günstigen Moment an Piero wenden werde.
    Immer Dein,
    Giuliano

34
    In den nächsten Monaten, während der Frühling in den Sommer überging, war mein

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