Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft
die zweithäufigste Todesursache?
Das liegt vor allem daran, dass es in dieser Altersspanne viele Gründe für seelische Belastungen und Konflikte gibt, darunter fällt auch die Pubertät. Die Ablösung vom Elternhaus und die Suche nach der eigenen Identität â der beruflichen, sexuellen, emotionalen und gesellschaftlichen â verlaufen häufiger krisenhaft, wobei die Unterscheidung zwischen Krise und Erkrankung oft schwerfällt.
Ab welchem Alter kann man überhaupt Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen feststellen?
Die Unterschiedlichkeit der Geschlechter besteht spannenderweise schon direkt nach der Geburt. Entwicklungspsychologen wie die Amerikaner Katherine Weinberg oder Edward Tronick haben schon 1999 bei der Säuglingsbeobachtung festgestellt, dass männliche Babys mehr mütterlichen Input brauchen, um sich zu beruhigen, als weibliche. Entsprechend reagieren Mütter auf Jungen stärker mit ihrer Mimik, mit ihrem Tonfall, ihrer ganzen Zugewandtheit. Sie unternehmen also mehr, um männliche Säuglinge zu beruhigen. Mädchen hingegen scheinen schon wenige Monate nach der Geburt eher für sich klarzukommen, was allerdings auch eine Anpassungsreaktion auf ein vergleichsweise vermindertes mütterliches Interaktionsangebot sein kann. Jungen sind grundsätzlich auffälliger, wenn es um Verhaltensstörungen geht. Dadurch bekommen sie natürlich mehr Aufmerksamkeit. Und auch im Kinder- und Jugendalter können sich Jungen weniger gut selbst beruhigen. Hypothetisch könnte man annehmen, dass die Eltern ihren Mädchen deutlich weniger Regulationshilfen als den Jungen geben. Aus diesem Grund könnten Mädchen, genauso wie erwachsene Frauen, verstärkt mit einem Rückzug in sich selbst reagieren. Ihre Aggressionen â wenn überhaupt â lassen sie an sich selbst aus.
Wie unterscheiden sich depressive Frauen von depressiven Mädchen?
Bei depressiven Frauen gibt es zwei unterschiedliche Typen: Die einen haben keinen Antrieb, keine Energie, für sie erscheint alles sinnlos. Die Frauen des anderen Typus leben in einer hektischen Betriebsamkeit; sie versuchen, gegen alles anzuarbeiten, und sind oft sehr getrieben und gehetzt. Bei manifest depressiven Mädchen zeigt sich entweder ebenfalls eine traurig-hoffnungslose oder eine gereizte, angespannte Stimmungslage. Eltern sollten wachsam sein, wenn sie zudem Folgendes beobachten: Die Tochter zieht sich zurück, sie hat keine Lust mehr, sich zu verabreden, ihre Freunde zu treffen oder zum Sport zu gehen, stattdessen verkriecht sie sich in ihr Zimmer. Die Schulleistungen werden schlechter, bisherige Interessen und Hobbys werden hintenangestellt. Manche Mädchen fangen an, ihr Aussehen zu vernachlässigen. Sie duschen weniger, waschen sich nur selten die Haare, schminken sich nicht mehr.
Was sind die gröÃten Risikofaktoren?
Es gelten für Depressionen die gleichen psychosozialen Risiken wie auch für andere psychische Erkrankungen. Erschwerte Lebensbedingungen entstehen durch: einen niedrigen sozioökonomischen Status, die Arbeitslosigkeit der Mutter oder des Vaters oder dann, wenn ein Elternteil das Kind allein erzieht. Als riskant gilt zudem, wenn es an Schutzfaktoren mangelt. Solche wären beispielsweise die Zuversicht der Eltern, dass sich die Dinge positiv entwickeln, ein enger familiärer Zusammenhalt oder einfach die Entlastung, die ein (höheres) Gehalt eines Familienmitglieds mit sich bringt. Ein weiterer sehr bedeutsamer Risikofaktor ist, wenn die Eltern chronisch psychisch krank oder süchtig sind.
Und worin sehen Sie die Ursachen von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen?
Wir gehen von einem multifaktoriellen Krankheitsentstehungsmodell aus. Das bedeutet, die Gründe sind teilweise körperlich (genetisch) und zusätzlich seelisch, vermittelt über schwierige Beziehungserlebnisse und deren unzureichende Verarbeitung. Kinder und Jugendliche werden aber auch durch die Rollenbilder, die ihnen vermittelt werden, beeinflusst. Denn alle Menschen tragen im Innern eine Vorstellung mit sich herum, wie Mädchen und Jungen zu sein haben â und geben diese meist unbewusst weiter. Mädchen werden auch heute noch dazu erzogen, pflegeleicht, artig und nicht aggressiv zu sein.
Wie reagieren Eltern, wenn sie erfahren, dass ihr Kind depressiv ist?
Eltern glauben meist, sie sind dafür verantwortlich, wenn sie die Diagnose Depression hören, vor
Weitere Kostenlose Bücher