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Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft

Titel: Kalt erwischt - wie ich mit Depressionen lebe und was mir hilft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heide Fuhljahn
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an unserer Beziehung aufgefressen. Björn hatte sehr viel Rücksicht auf mich genommen, allein dadurch, dass er meinen Mist zehn Jahre lang sehr loyal mitgetragen hatte. Er hatte mich, gerade wenn es um meinen Vater ging, sehr unterstützt, hatte mir mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Wenn ich jammerte: »Es ist schon wieder ein Brief eingetroffen, alles, was sein Anwalt über mich schreibt, stimmt gar nicht«, tröstete er mich: »Kopf hoch, von dem lassen wir uns nicht unterkriegen.« Er war natürlich öfter genervt, weil sich in meinem Leben eine Baustelle nach der nächsten auftat. Doch es lag am Ende nicht an meinen Depressionen, dass wir uns trennten. Wir hatten unterschiedliche Bedürfnisse an eine Partnerschaft entwickelt und andere Vorstellungen vom Leben.
    Trotzdem war die Trennung entsetzlich. Ich heulte ständig, für alle ersichtlich vor dem PC – inzwischen arbeitete ich als Journalistin – oder heimlich auf dem Klo. Ich fing an, ohne Pause Süßigkeiten zu essen. Nachts ging ich durch die leeren, dunklen Straßen zur Tankstelle und kaufte mir drei Mars, zwei Snickers und vier Bountys und verschlang sie, kaum dass ich durch die Tür raus war. Am meisten weinte ich um meinen Traum, mit Björn noch im Alter Händchen haltend spazieren zu gehen. Ebenso weinte ich um den Hund, den wir zusammen haben wollten. Es tat bitter weh, von dem Glauben an eine ein Leben lang andauernde Beziehung Abschied zu nehmen. Ich schrieb in mein Tagebuch: »Es ist so schrecklich, dass ich nicht mehr an seinem Leben als seine Freundin teilhaben werde. So viele Jahre wohnen wir schon zusammen. Immer ist da jemand, wir teilen den Raum, teilen Gedanken, Gefühle, Pläne und Träume. Nun wird er seine Zukunft ohne mich leben. Es tut so weh. Wie soll ich diese Schmerzen nur aushalten? Mir ist, als würde man mir ein Stück meines Herzens mit Gewalt herausreißen.«
    Ein halbes Jahr war ich extrem einsam, unglücklich und traurig. Und als ich gerade anfing, mich zu berappeln, trat Philipp in mein Leben.

8 Harmoniesüchtig und perfektionistisch – Depressionen und der Faktor Frau
    I n den sechs Monaten, in denen ich solo war, las ich mehrere Bücher über Depressionen, ahnte ich doch, dass sie mich immer wieder einholen konnten. Meine Offenbarung war das Buch WahnsinnsFrauen , das Sibylle Duda und Luise F. Pusch herausgegeben hatten. Eine Freundin schenkte es mir zum Geburtstag, und ich erfuhr dadurch sehr viel über Frauen und psychische Erkrankungen. Besonders erstaunte mich folgende Tatsache: Offenbar gab es einen Zusammenhang zwischen einer Depression und dem Geschlecht. Dadurch sensibilisiert, suchte ich in meiner Buchhandlung nach weiterer Literatur zu diesem Thema. Einige Regalmeter waren mit populären Werken über Depressionen vollgestopft, aber entweder schrieben die Autoren, es gäbe keinen Unterschied zwischen Frauen und Männern, oder hoben nur hervor, dass die Krankheit bei Frauen im Vergleich zum männlichen Geschlecht doppelt so häufig vorkomme. Oft wurden mögliche Geschlechterunterschiede nicht einmal erwähnt. Doch als selbst Betroffene, als eine betroffene Frau gab ich mich damit nicht zufrieden. Ich fing an, mich der Fachliteratur zuzuwenden. In diesen Büchern entdeckte ich Kapitel, die sich mit Frauen und Depressionen beschäftigten. Manche ließen sich nur über Menstruation, Geburt und Wechseljahre aus, andere hoben weitere Unterschiede hervor. Sogar ganze Werke über Frauen und psychische Erkrankungen konnte ich finden – nur waren sie in den wenigsten Fällen leicht zu verstehen.
    Nach dieser Feststellung recherchierte ich, wer eine Koryphäe auf dem Gebiet Frauen und Depressionen ist, und immer wieder nannte man mir den Namen von Professor Heinz Böker. Auf dem Foto im Internet sah ich einen freundlichen Herrn mit grauem Spitzbart und runder Brille. Unter seinem Lebenslauf stand auch die Adresse, wo er zurzeit tätig war: an der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Dort rief ich an, und nachdem ich mit Professor Heinz Böker verbunden war und mich vorgestellt hatte, fragte ich ihn:
    Â»Warum tragen Frauen im Vergleich zu Männern weltweit ein doppelt so häufiges Risiko, an einer klinisch bedeutsamen Depression zu erkranken?«
    Â»Die Frage ist einfach, die Antwort komplex«, antwortete Professor Böker. »Letztlich wissen wir es nicht. Es gibt plausible

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